KAPITÄN SCHWANDT: Das Problem mit Deutschlands Häfen

Ein Schiff, das ohne Crew über die Meere fährt. Ohne Käpt´n, ohne Chief, ohne Matrosen, ferngesteuert über einen kleinen Joystick in einem Kontrollzentrum am anderen Ende der Welt, wie eine Drohne. So soll die Zukunft aussehen, vielleicht schon ab dem Jahr 2020. Der Konzern „Rolls-Royce“ hat einen solchen Protoypen vorgestellt, der, wenn er in Serie geht, das Ende der Seefahrt bedeutet, wie wir sie kennen.

Mir graut vor dieser Vorstellung. Ich habe auf See genug Scheiße erlebt, ich befand mich oft in kritischen Situationen. Wer repariert auf See Maschinenschäden? Was passiert bei sehr schlechtem Wetter? Und dann die Sicherheit: Ein Hacker könnte ein Schiff mit Sprengstoff in voller Fahrt New York anlaufen lassen.

Schwandt- Elbe Hafeneinfahrt

Automaten auf den Ozeanen

Ganz abwegig ist das Szenario, dass solche Automaten bald über die Ozeane fahren, leider nicht, denn wo gespart werden kann, wird gespart. Wenn mir jemand zu meiner Zeit als Matrose gesagt hätte, dass die Schiffe von heute mehr als 400 Meter lang sind – ich hätte gefragt, ob sein bester Kumpel der Klabautermann ist. Einige Experten meinen ja, dass es noch nicht das Ende des Größenwahns ist, weil es bei den Reedern zugeht wie bei pubertierenden Jungs in der Herrentoilette: Jeder hätte gerne den Längsten.

Trotz der Überkapazitäten (Ergebnis: niedrige Frachtraten), sollen noch größere Schiffe gebaut werden, bis zu 430, vielleicht sogar 450 Meter lang. Für Hamburg ein im wahrsten Sinne gewaltiges Problem. Schon jetzt ist es extrem schwierig, Schiffe wie die „Marco Polo“ mit 18.000 Containern die Elbe hochzubringen. Das Drehmanöver gerät zur Zentimeterarbeit und die Gigantomanie nimmt Formen an, die für unsere Stadt nicht mehr vertretbar sind. Die Elbe soll noch einmal auf 14,5 Meter vertieft werden? Schon jetzt erstickt die Containerflut den Verkehr im Hinterland. Fahren Sie einmal zu einer beliebigen Tageszeit über die Köhlbrandbrücke, dann wissen Sie, was ich meine.

„Captain’s Paradise“

Für unseren Hafen ist irgendwann eine natürliche Grenze erreicht, es sei denn, man will die Landungsbrücken bis zum Baumwall verlängern und das Hafenbecken bis hinters Rathaus auf 16 Meter Tiefe ausbaggern, mit einer Spundwand, damit der Senat nicht absäuft. Wenn die Monsterschiffe kommen, brauchen wir ein anderes Konzept. Eines für den ganzen Norden, eine Kooperation von Hamburg, Bremen und Wilhelmshaven.

Ich war vor kurzem dort zu Besuch, im einzigen Tiefwasserhafen, und traf den Chef des Hafens, Andreas Bullwinkel. Die Seeleute nennen ihn „Captains Paradise“, und es gibt reichlich Platz. Warum arbeiten die Häfen nicht enger zusammen? Bevor die Riesen an Deutschland vorbei nach Rotterdam weiterfahren, wäre dies eine Option.

Jürgen Schwandt, Jahrgang 1936, wuchs in Sankt Georg auf. Er fuhr jahrzehntelang zur See und lebt heute in Hamburg. Gerade erschien seine hochgelobte Biographie „Sturmwarnung“.

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