KAPITÄN SCHWANDT: Mit Vollgas durch die Fahrprüfung
Ich habe vergangene Woche meine Fahrprüfung bestanden. Da gibt es nichts zu lachen: Ich habe mir selbst zum 80ten Geburtstag den Test geschenkt, um meine Fahrtauglichkeit zu beweisen. Ständig wird an alten Verkehrsteilnehmern herumgenörgelt und irgendein Lurch aus der Politik fordert bestimmt wieder eine Altersbegrenzung für Autofahrer. Ungerecht, wie ich finde, denn es sind doch die jungen, die mit einer Mischung aus Testosteron- und PS-Überschuss als Organspender unterwegs sind. Mein Führerschein wurde 1957 ausgestellt. Ich hatte deshalb beschlossen, mich von einem Profi testen zu lassen.
Löding hieß der Fahrlehrer, ein gemütlicher Typ, etwa halb so alt wie ich. Damit er Bescheid wusste, habe ich ihm gleich das Attest meines Augenarztes und den Bescheid meiner Versicherung in die Hand gedrückt. Ich fahre schon so lange unfallfrei, dass sie mich demnächst dafür bezahlen, wenn ich hinters Lenkrad steige. Seit 43 Jahren. Ich habe Schiffe durch Stürme gelenkt und bin mit den Kähnen im Hafen in so knappe Parklücken manövriert, dass keine Möwe zwischen Steven und dem nächsten Schiff kacken konnte. Doch Herr Löding, der auf dem Beifahrersitz hockte und mich ununterbrochen vollltextete, über das Wetter, den letzten Urlaub, den HSV, machte mich doch etwas nervös. Der Kerl wollte mich ablenken, ganz klar.
Angst vor der Autobahn? Na warte!
Ich stierte nach vorne und brummte nur ab und zu ein „Jaja“. Wir kurvten erst durch ein Wohngebiet, viel Rechts vor Links, ich weiß, wie die politische Lage derzeit. „Etwas weniger Gas wäre sicherer gewesen“, kritisierte Löding. „Fahren Sie weiter Richtung Autobahn bitte. Viele ältere Fahrer haben Angst vor der Autobahn.“
Angst vor der Autobahn? Na warte, Junge! Ich bin aufs Gaspedal gelatscht, dass sich Herr Löding in seinem Sitz bestimmt vorkam wie Han Solo beim Sprung in die Lichtgeschwindigkeit. Auf der Autobahn kamen wir nicht weit, die A7 besteht ja nur noch aus Standstreifen, und Löding lotste mich auf einen Übungsplatz.
Die Reifen quietschen. Zufriedener Fahrlehrer.
Vollbremsung! Dies gehört heutzutage zum festen Programm einer Prüfung, und ich muss sagen, an der Stelle habe ich etwas gelernt. Erst beim dritten Reifenqietschen war Löding zufrieden. Gefühlt hatte ich schon beim zweiten Versuch mit dem Fuß das Bodenblech durchtreten, aber es ging noch mehr. Für Gefahrenmomente eine gute Übung.
Herr Löding jedenfalls war hinterher zufrieden mit mir, es gab eine Urkunde und ein mündliches Lob: „1A“, meint er. Nur solle ich bitte nicht so viel über andere Verkehrsteilnehmer meckern. Er wünsche sich, dass mehr ältere Autofahrer den Test ablegen. Ich auch. Vielleicht verstummt das Gemoser über uns Alte dann.
Jürgen Schwandt, Jahrgang 1936, wuchs in Sankt Georg auf. Er fuhr jahrzehntelang zur See und lebt heute in Hamburg. Gerade erschien seine Biographie „Sturmwarnung“. Den Pullover, den der Käpt`n auf dem Foto trägt, gibt es HIER.

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