KAPITÄN SCHWANDT: Jedes Vorurteil ist falsch
Der Fall sorgte in ganz Deutschland für Schlagzeilen und war für einige ein Fanal dafür, welche Kriminalität angeblich durch Flüchtlinge ins Land gebracht wird: Zwei Afghanen (34 und 14 Jahre alt) sollen sich in einem „Spaßbad“ in Norderstedt (nördlich von Hamburg) auf furchtbare Weise an zwei Mädchen (14 und 18) vergangen haben. Doch am ersten Verhandlungstag kam heraus: Es gibt große Zweifel an dieser Darstellung – und es könnte sein, dass einer der Angeklagten unnötig monatelang in Untersuchungshaft saß.
Der 14jährige, soviel scheint schon festzustehen, hat gar nichts mit der Tat zu tun. Es gibt Zweifel an den Aussagen der Hauptzeugin, die „ganz offensichtlich lügt“, wie Anwalt der Angeklagten sagte. Schon in sechs anderen Fällen hatte die Teenagerin Männer beschuldigt – kein einziger Fall konnte nachgewiesen werden. Die Richterin hob nun am ersten Prozesstag die Haftbefehle gegen beide Angeklagten auf.
Warum ich von dieser Meldung erzähle: Monatelang gingen die Berichte durch die Medien, große Teile der Öffentlichkeit hatten ihr Urteil bereits gefällt. Ich sage: Lasst Vorverurteilungen nicht zu! Seht Euch den Einzelfall an!
Natürlich gibt es auch Kriminelle unter den Flüchtlingen. Natürlich ist das zu verurteilen, scharf sogar, denn sie missachten nicht nur die Gesetze, sondern missbrauchen zudem das Gastrecht. In Hamburg diskutiert die ganze Stadt derzeit über schlimme Zustände an der einstigen Flaniermeile Jungfernstieg, auf der junge Migranten abends stehlen, sich prügeln und für Unsicherheit sorgen. Dies ist nicht hinzunehmen und ein Fall für die Polizei – darüber kann es doch gar keine Diskussionen geben. Doch auch hier gilt: Weil sich eine Gruppe daneben benimmt, dürfen doch nicht hunderttausend andere, die sich integrieren wollen und korrekt verhalten, unter Generalverdacht gestellt werden!
Nach „Lügenpresse“ die „Lügenbehörden“
Die Statistiken, die Bundeskriminalamt, Landeskriminalämter und Polizei bislang vorlegen, sind eindeutig: Flüchtlinge sind NICHT krimineller als Deutsche. Syrer und Afghanen halten statistisch sogar noch mehr an die Gesetze. Nun mag es Menschen, die an die Zahlen der Behörden nicht glauben, wie sie auch die „Lügenpresse“ im Verdacht haben. Diesen Menschen aber ist kaum noch zu helfen.
Wir steuern Schritt für Schritt auf ein gesellschaftliches Klima zu, dass durch Misstrauen, Vorurteile und Gewalt geprägt wird. Diese Gewalt kommt von allen Seiten: Wenn der AfD-Politiker Meuthen im Landkreis Harburg mit einer tiefgefrorenen Torte beworfen und leicht am Kopf verletzt wird, ist dies inakzeptabel. Ich lehne Gewalt von allen Seiten ab.
Eine tiefgefrorene Torte am Kopf löst nicht ein einziges Problem in den Köpfen.
Jürgen Schwandt, Jahrgang 1936, wuchs in Sankt Georg auf. Er fuhr jahrzehntelang zur See und lebt heute in Hamburg. Gerade erschien seine hochgelobte Biographie „Sturmwarnung“ – hier kann sie mit Autogramm bestellt werden.
0 comments