HENNING BAUM und der Knockout
HENNING BAUM hat unser Buch KNOCKOUT – die 20 besten Geschichten über das Boxen vorgestellt. Er hat es als Hörbuch für uns eingelesen – es gibt keinen besseren dafür. In der Hamburger „Ritze“, dem legendären Box-Klub auf der Reeperbahn, wurde er von der WELT AM SONNTAG interviewt. Auszüge eines spannenden Gesprächs mit der Journalistin Nicola Erdmann.
Obwohl Henning Baum an diesem Abend alles andere als sportlich gekleidet ist – er trägt einen schwarzen Rollkragenpullover zu schwarzen Stoffhosen -, passt er perfekt hierher. In diesen Boxkeller in der Kneipe mit dem Namen „Ritze“ auf der Hamburger Reeperbahn. An den Wänden hängen Plakate, die große, vergangene Kämpfe ankündigten: Max Schmeling oder Muhammad Ali, Henry Maske oder Mike Tyson, diese Namen liest man hier. „Beeindruckend“, sagt der Schauspieler Henning Baum („Der letzte Bulle“), während er zwischen Boxsäcken und Hantelbank die Wände abgeht.
Baum boxt selbst, zwar nur als Hobby, weil er, wie er erzählt, zu spät damit angefangen hat – aber dafür nicht weniger leidenschaftlich. So oft es geht, steht Baum, Jahrgang 1972, um 6.30 Uhr früh mit seinen Kumpels in seiner Heimat in Essen im Ring. Und deswegen ist er auch der Richtige, um an diesem Abend aus „Knockout. Das Leben ist ein Kampf“ vorzulesen. Herausgeber Takis Würger hat darin „die 20 besten Geschichten vom Boxen“ gesammelt, Geschichten rund ums Kämpfen, Gewinnen, Verlieren und wieder aufstehen. Und dass Henning Baum die wohl männlichste Stimme hat, die man sich vorstellen kann, schadet dabei auch nicht.
Frage: Welche Geschichte aus dem Buch hat Sie besonders beeindruckt?
Henning Baum: Die vom „Boxer von Auschwitz“. Das ist die Geschichte eines 16-Jährigen Jungen, der nach Auschwitz deportiert wurde und dort vorgegeben hat, er sei Boxer. Das war ein Geistesblitz, gleichzeitig wahnsinnig mutig – und hat ihm das Leben gerettet.
Frage: Muhammad Ali wurde sein Fahrrad gestohlen, Mike Tyson wurde ausgelacht, weil er Brillenträger war und wollte sich wehren. Es scheint, als habe jeder Boxer einen Grund, warum er mit diesem Sport anfängt.
Baum: Ja, ich glaube auch, dass es einen starken Antrieb geben muss, vor allem wenn man das Boxen als Beruf ergreift. Da braucht es eine starke Leidenschaft und auch Leidensfähigkeit. Die Ursache für die Lust aufs Boxen kann vielfältig sein, die kann in einer Verletzung oder Schmähung liegen oder beim geklauten Fahrrad. An einer Stelle schreibt Mike Tyson in „Knockout“ auch, er habe eine „Grundwut“ in sich, was sein Trainer dann auch erkannte. Und ihn zu diesem unglaublichen Boxer machte.
Frage: Welchen Grund hatten Sie, mit dem Boxen anzufangen?
Baum: Kampfsport hat mich immer schon interessiert, genauso wie ein faires Kämpfen. Ich habe gerne gerauft als Junge – dabei aber oft auf die Schnauze gekriegt. Ich hatte aber auch eine große Klappe. Irgendwie fand ich dann das Boxen als meinen Sport. Und konnte mir gerade in den vergangenen Jahren einen großartigen Freundeskreis darum aufbauen. Das schweißt zusammen, wenn man so hart trainiert. Wir fangen um 6.30 Uhr an. Aber wenn die Seilchen surren, ist alles gut. Wir schauen uns dann an und denken: Das ist doch hier eigentlich gerade der schönste Ort auf der Welt.
Frage: Wann ist ein Boxkampf ein guter Kampf?
Baum: Wenn er nicht vorhersehbar ist. Wenn dem Kampf eine Dynamik innewohnt und die Stärken beider Boxer sichtbar werden. Wenn die Boxer eine Art von Dialog miteinander aufnehmen und es auch Überraschungen gibt. Plötzliche Attacken, Finten, Ausfälle – das macht einen Kampf lebendig.
Frage: Mussten Sie in ihrem Leben schon richtig kämpfen?
Baum: Na sicher, die ganze Zeit. Mein Beruf ist doch ein einziger Kampf. Man muss kämpfen, voranzukommen. Das beginnt schon mit dem Wunsch nach einem Platz auf der Schauspielschule. Da muss man sich so was von durchkämpfen. Und dann geht es immer weiter, immer wieder, und irgendwann, wenn der Erfolg kommt, muss man auch mit sich selbst kämpfen. Man muss mit sich darum kämpfen, nicht träge oder eitel zu werden. Oder zu denken: Ich kann es jetzt, ich bin jetzt wer. Man muss immer wieder von vorne anfangen. Die Demut, die einem das Boxen abringt, die hält einen aber auf dem Teppich. Wenn ich mit den Jungs boxe und wir Sparrings machen und ich vielleicht ein paar Mal nicht da war, weil ich drehen musste, dann sagen die: Was soll das denn? Und Zack, hab ich ’nen Leberhaken einkassiert. Da weiß ich sofort, wo ich stehe. Da lieg‘ ich dann nämlich und keuche.
Frage: In Artikeln über Sie geht es stets um Ihre Männlichkeit, Sie werden immer wieder als „der letzte echte Mann“ bezeichnet. Woher kommt diese Faszination um die Suche nach Männlichkeit?
Baum: Das ist eine Projektion. Wir brauchen Archetypen. Weil sich diese Urbilder auflösen, die uns Orientierung und Halt gegeben haben. Deswegen erleben wir einhergehend mit diesem Auflösungsprozess eine Suche nach diesen alten Bildern. Vor dreißig Jahren hat keiner solche Fragen gestellt, was ein echter Mann wäre oder so. Alle Männer um mich herum waren einfach knüppelharte Typen. Aber das musste keiner thematisieren. Das erste Mal, dass ich überhaupt „Mann sein“ als Thema wahrgenommen habe, war in dem Lied von Herbert Grönemeyer. Vorher gab es Männer und Frauen. Und Kinder.
Frage: Sie haben mal gesagt, dass das Bild, das die Gesellschaft von Männer hat, Sie irritiert. Was genau irritiert?
Baum: Das hab ich gesagt? Ach, wissen Sie was? Das Bild, das die Gesellschaft von Männern hat, geht mir am Arsch vorbei. Das interessiert mich nicht.
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