ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Betteln

Betteln fiel mir immer schwer. Wer auf der Straße lebt, ist aber oft darauf angewiesen. Wo soll das Geld für Essen herkommen? Ich hatte keinen Cent in der Tasche. Wenn man fremde Menschen um Hilfe fragen muss, hat man schon alles versucht. Glaubt es mir: Es ist für denjenigen, der bettelt, unangenehm. Man schämt sich.

Ich weiß noch genau, wie viele Käsebrötchen ich geschenkt bekam. Sieben waren es. Es war schön, satt zu sein. Ich war dankbar für jede Unterstützung. Gegen Äpfel bin ich allergisch. Kaffee habe ich noch nie getrunken. Doch wenn mir eine Frucht oder ein Becher gegeben wurde, fand ich schnell einen Abnehmer. Teilen gehörte auf der Straße dazu. Man hilft sich aus. Man weiß nie, wann man selber mal was braucht. Man gibt, was man kann. Zumindest, was Nahrungsmittel betraf. Bei Geld sieht das anders aus. Geld hat keiner.

Betteln fiel mir immer schwer

Wie viel ist ein Euro wert? Jeder, der mich heute nach Geld fragt, bekommt etwas von mir. Ich habe Demut vor Menschen, die betteln. Ich bin beeindruckt davon, wenn jemand in einer vollen U-Bahn singt. Oft verstehe ich die Sprache nicht. Doch ich höre den Schmerz in der Stimme.

Dominik Bloh (Foto: Axel Martens)

 

Viele Obdachlose haben Hunde und lieben ihre Tiere. Sie haben sonst niemanden mehr. Trotzdem hat der Hund tagsüber einen Job. Er soll mithelfen, mehr Geld zu sammeln. Ich verstehe das: Teamwork.

Viele Menschen haben Probleme, Osteuropäern Geld zu geben. Ja, bestimmt gibt es eine Bettelmafia. Doch auf der Straße stehen nicht die Bosse. Nicht jeder gehört zu einer Bande. Es können auch einfach Familie und Freunde sein, die zusammen hier herkommen. Dass Frauen mit ihren Kindern betteln, das wird nicht gerne gesehen. Die Frau kann ihr Kind nicht einfach in die Kita geben. Und wenn ich mich in die Mutter hineinversetze: Würde ich mein Kind in fremde Hände geben, in einem fremden Land?

Ich bin nicht der Richter dieser Menschen

Trinkern wird auch ungern Geld gegeben, weil es wieder in den Alkohol investiert wird. Doch auch hier ein Einwand: Ein Alkoholsüchtiger kann bei einem kalten Entzug nach ein paar Tagen sterben. Manche Nächte sind so kalt, dass nur die Wärme des Alkohol etwas Linderung schenkt. Ich weiß, warum die Menschen das Leben auf der Straße nicht mit klarem Kopf erleben möchten. Ich bin nicht der Richter dieser Menschen.

Das Wichtigste, was man geben kann, ist umsonst. Schenkt den Menschen ein bisschen Zeit! Ein wenig schnacken und ein freundliches Lächeln kosten gar nichts. Diese Momente können für jemanden, der auf der Straße lebt, die schönsten des Tages sein.

Spendet den Menschen nicht nur Geld. Spendet ihnen Hoffnung.

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Gerade erschien sein Buch darüber: „Unter Palmen aus Stahl“, überall im Handel und hier bei uns im Online Shop.

 

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