ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Die Frau am Aufzug

Ich durfte auf dem Summers TaleFestival in der Nähe von Lüneburg aus meinem Buch lesen. Leider kamen dort meine Schuhe abhanden. Ich stand morgens barfuß da. Das Problem: Ich musste sofort nach Köln weiterfahren, zu einer Fernsehsendung, dem „Kölner Treff“ des WDR. Und die Zeit wurde knapp.

Ich stieg also mit den Sachen, die ich beim Festival trug und ohne Schuhe in den Zug. Der Zug fuhr in den Westen. In Köln angekommen, lief ich vom Hauptbahnhof zum Hotel. Ich habe meine Füße auf dem heißen Asphalt verbrannt, ich tippte irgendwann nur noch mit den Zehen. Der Boden fühlte sich in der Hitze an wie glühende Lava.

Dominik Bloh: Die Frau am Aufzug

Im Hotel wollte ich mich nur noch duschen. Dann musste ich zusehen, in der Stadt frische Sachen und ein paar Schuhe zu kaufen. Ich bekam an der Rezeption meine Zimmerkarte und ging Richtung Aufzug. Die letzten Tage waren anstrengend,ich fühlte mich schon richtig unwohl. Eine Frau, die neben mir eingecheckt und sich dabei über die verschiedenen Klimaanlagen in den Sitzbereichen informiert hatte, folgte mir. Sie blieb aber dann vor dem Fahrstuhl stehen. Sie sagte laut: „Das kann ich nicht. Mit dem steige ich nicht in einen Aufzug! Jetzt dürfen hier auch noch Penner rein.

Die Aufzugtür schloss sich. Für einen Moment fühlte ich mich wie früher auf de Straße, mitten im Luxushotel in Köln. Eine Träne kullerte über meine Wange und fiel auf den dicken Teppich.

Am nächsten Tag fuhr ich nach Hause, ein Samstag. Ich gingnoch schnell einkaufen. Hinter mir in der Schlange an der Supermarktkasse sah ich eine Frau im Rollstuhl. Ich denke oft, wie krass das ist. Ich wüsste nicht, damit umzugehen und empfinde großen Respekt. Meine Probleme wurden in diesem Moment wieder klein. Jeder hat mit seinen Lebensumständen zu kämpfen. Man selber entscheidet, ob man sich davon kaputt machen lässt oder das Beste draus macht.

Diese Frau sah in der ganzen Schlange am glücklichsten aus. Sie hatte ein Lachen auf den Lippen. Sie strahlte echte Lebensfreude aus. Am nächsten Tag bekam ich auf meiner Facebook-Seite diese Nachricht:

„Am Wochenende stand (saß) ich beim Rewe an der Kieler Straße hinter dir. Du wirktest irgendwie durch den Wind und ich überlegte, was du heute wohl schon alles erlebt hast. Quasi meine Beschäftigung, um die Zeit des Wartens zu überbrücken.

Sie schreibt, dass ihr auffiel, wie gestresst ich wirkte. Und dass sie später in der Mediathek des WDR die Aufzeichnung der Sendung sah, in der ich die Episode aus dem Aufzug erzählte. „Ich wünsche dir, dass die kommende Woche ganz toll für dich wird“, schreibt soie.

Wie habe ich mich gefreut. Und Danke, ich hatte eine tolle Woche.

Ich wünsche Dir alles Gute. 

Unter Palmen aus Stahl, das Buch von Dominik.

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Gerade erschien sein Buch darüber: „Unter Palmen aus Stahl“, überall im Handel und hier im Online Shop. Die ist Kolumne 37 von Dominik Bloh.

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