ANKERSCHMERZ: Unser Café für Obdachlose
Jeden Samstag schreibt Ankerherz-Autor Dominik Bloh die Kolumne „Auf den Straßen von Hamburg“ für die Hamburger Morgenpost. Dominik hat elf Jahre lang selbst immer wieder auf der Straße gelebt und seine Erfahrungen im Buch „Unter Palmen aus Stahl“ aufgeschrieben. Dieses ist die 50te Kolumne. Sie handelt von einem Café für Obdachlose.
Es ist nun kalt. Es ist bereits ein Mensch wegen dieser Kälte gestorben. Man sitzt im Warmen bei einem Tee und fragt sich: Was kann man tun? Zumindest ging es uns im Frühjahr so. Es war Ende Februar und die Kältewelle machte Hamburg zu einem Eisschrank. Wir wollten helfen.
Ich wollte zuerst demonstrieren. Ich habe überlegt, mich vor das Rathaus zu legen. Es sollte ein Zeichen setzen. Doch was würde es den Menschen, die grade akut frieren, wirklich bringen?
Sie kam auf die Idee, bei ihrem Chef zu fragen. Manchmal steht der Laden leer. So kam es, dass wir Anfang März spontan ein Café öffnete. Wir wollten den Menschen einen warmen Raum bieten. Das war erst einmal das Wichtigste. Wir wollten auch, dass es ein Miteinander wird.
Nachbarn, Freunde, Sozialarbeiter
Wir haben die Nachbarschaft und unsere Freunde eingeladen. Es ist nicht nur als Angebot für Obdachlose gedacht. Es ist eine Tür, die für jeden offen steht. Unser Café Sonnenschein.
Viele Nachbarn brachten Essen oder Gesellschaftsspiele. Wir hatten eine gute Zeit. Jeden Sonntag sind wir zusammengekommen. Es wurden immer mehr Besucher. Eine mobile Arztpraxis kam vorbei. Friseure schnitten Haare. Eine Medizinische Fußpflege kümmerte sich um Menschen, die den ganzen Tag unterwegs sind. Sozialarbeiter halfen beim Ausfüllen von Formularen. Wir bekamen sogar eine gute Kaffeemaschine ausgeliehen. Ich habe viele Partien Schach mit den Jungs gespielt.
Ende März war der Laden wieder belegt. Das Sonnenschein Cafe hatte seinen letzten Tag. Der Kontakt zu den Anderen blieb erhalten. Einige Jungs sind noch draußen unterwegs. Wolfgang und Thomas zum Beispiel. Die beiden sind oft in den Medien in letzter Zeit. Sie werden durch die Stadt gescheucht. Alle paar Wochen wird ihre Platte geräumt. Wer kann sich vorstellen, jede Woche umziehen zu müssen?
Ein Café für Obdachlose
Da sind auch Manuell und Torsten. Beide haben vor einem halben Jahr noch gesagt, dass sie sich nicht vorstellen können, in einer Wohnung zu leben. Beide haben seit dem nicht mehr draußen geschlafen. Sie haben genau wie ich damals angefangen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Waren immer da und haben geholfen. Dadurch haben die beiden viele neue tolle Menschen kennengelernt.
Sie haben auch eine Zeitlang bei mir gewohnt. Für den Übergang haben beide inzwischen einen Platz gefunden und Arbeit. Sie sind Teil unserer Gesellschaft und erfahren nach jahrelanger Ablehnung endlich Freundschaft. Beide hatten in den letzten Wochen Geburtstag. Gestern hat Manu nach 30 Jahren das erste mal wieder seinen Geburtstag gefeiert.
Am 17.11. eröffnen wir wieder das Sonnenschein Café in der Hamburger Botschaft. Um jeden Samstag Obdachlosen Wärme zu geben.
Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Sein Buch über sein Leben heißt: „Unter Palmen aus Stahl“, und wurde ein SPIEGEL-Bestseller. Überall im Handel und HIER im Onlineshop.
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