Depression? Ich doch nicht! Ein Brief von Pat „Sankt Paddy“ Sechelmann

Viele Hamburger kennen Pat Sechelmann als „Sankt Paddy“ im Millerntor-Stadion. Er ist eines der bekanntesten Gesichter in der Fanszene des FC St. Pauli. Immer gut drauf, so kennt man ihn. Doch dann kamen ein Burnout und eine Depression – und sein Leben lief plötzlich ganz anders. Pat hat diese Phase überstanden. Er hat einen Text geschrieben, den wir hier im Ankerherz Blog veröffentlichen. Verbunden mit der Hoffnung, dass er Menschen in ähnlicher Lage Mut schenken möge.

Von Pat Sechelmann

„Nach 426 Tagen ist es heute endlich soweit.  Ich darf mir wieder Gedanken machen, was ich zur Arbeit anziehen möchte, denn: Nach 427 Tagen mache ich Morgen wieder meinen Schritt zurück ins Berufsleben. Ich freue mich mega drauf.

„Burnout“ und „Depression“, das sind zwei sehr starke Worte. Die ich zwar kannte, aber immer dachte, dass sie für mich nie große Relevanz haben werden. Ich habe mich geirrt. Sagte ein erster Psychologe noch zu mir: Sie müssen sich jetzt viel Zeit geben, dachte ich an sechs Wochen. Es wurden 427 Tage. Die erste Zeit habe ich nur noch geschlafen. Als ich dann wieder raus wollte, wusste ich nicht einmal, in welcher Reihenfolge man sich anzieht.

Erst kam die Depression, dann die Panik

Als ich das dann hin bekam, kamen Panikattacken hinzu. Da wurde mir bewusst, dass der Anfang tatsächlich nur die Spitze eines Eisberges ist und es nun meine Aufgabe war, diesen Eisberg zum Schmilzen zu bringen, um an den Kern heranzukommen und meinen Zustand zu akzeptieren. Es ging also erst einmal bergab, bevor es wieder bergauf gehen konnte.

Es begann damit, dass ich lernte, Grenzen zu ziehen. Ich dachte, dies sei eines der schwierigsten Dinge. Am Ende war es dann aber doch die Reaktion von Menschen, die mich bis dato als „Freunde“ durchs Leben begleiteten. Also der nächste Prozess. Menschen, die den Blick auf Werte verloren haben, die empathielos sind, die nur Kraft fressen, aus meinem Leben auszusortieren.

Im Ankerherz Blog: St. Pauli Fan Pat Sechelmann.

 

Ich habe dann eine Weile überlegt, wie ich damit umgehen möchte. Ich konnte es für mich ja nicht einordnen, und am Anfang war es mir tatsächlich auch peinlich. Aber weil sich der Zustand so nutz- und sinnlos anfühlte, wollte ich ihm einen Sinn geben. Ich habe vor sechs Jahren eine FC St. Pauli-Gruppe gegründet, in der etwa viertausend Leute sind sind und auch Facebook-Kontakte habe ich nicht grade wenige.

Burnout und Depression? Ich doch nicht

Viele, dich mich nur oberflächlich kennen, schätzen mich als reinen Spaßvogel mit großem Herzen ein, der „Always on the sunny side“ lebt. Daraus entstand für mich die Verantwortung, offen mit dem Thema Burnout und Depression umzugehen und dabei auch nicht den Glauben an mich zu verlieren. Und es passierte das, was ich mir gewünscht habe: Mich schrieben Freunde und Bekannte an, denen es ähnlich ging. Wir hatten einen Austausch. Es gab auch Freunde, die sich nach unseren Gesprächen selber Hilfe gesucht haben.

Somit war und ist all das nicht umsonst.

 

Ich könnte jetzt ewig darüber berichten und referieren, was mich an den Punkt gebracht hat, dass ich Hilfe brauchte. Aber genauso seitenfüllend kann es sein, wenn ich darüber berichte, was in meinem Freundeskreis, meiner Familie, meiner Nachbarschaft und meinem Verein alles passiert ist an schönen Geschichten, die einen immer im Leben gehalten haben.

Ich war nicht lebensmüde, konnte aber am Leben nicht mehr teilnehmen.

Meine Freunde haben mich nie im Stich gelassen. Wir haben eine sehr emotionale und schöne Zeit gesehen, und ich war erschrocken, dass es Freunde gab, die weinten, als sie hörten, was in mir vorgeht. Da wurde mir bewusst, wie tief meine Freundschaften gehen.  Dann ist auf traurigschöne Weise mein Motorrad zu mir gekommen. Und mein großer Bruder, den ich hier erst im Norden kennenlernte, hat all meine Freunde und die Nachbarschaft zusammengeführt, um mir zu ermöglichen, das Motorrad zum Laufen zu bringen.

Ich möchte Danke sagen!

Ich möchte mich bei allen bedanken, die 427 Tage lang für mich da waren. Und allen, die diesen Text lesen, möchte ich raten, ehrlich zu sich selbst zu sein. Und sich um sich zu kümmern. In sich hineinzuhören und auf sich zu achten. Wenn ihr spürt, dass eure Seele einen Riss hat, dann ist das keine Schwäche! Das hat seinen Grund und seine Berechtigung.

Ab morgen stehe ich wieder in der Startelf.

Pat Sechelmann, Jahrgang 1976, geboren in Münster, lebt seit 13 Jahren auf Sankt Pauli.

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