ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Gewalt an Mädchen
Gewalt an Mädchen. Erschrocken stellt Ankerherz-Autor Dominik Bloh fest, wie viele junge Frauen dieses Thema betrifft. Lest hier seine neue Kolumne „Auf den Straßen von Hamburg“, die jeden Samstag in der Hamburger Morgenpost und in seinem Blog erscheint.
Mir wurden Zähne gezogen, eine böse Erinnerung an mein Leben auf der Strasse. Ich hatte nach ein paar Tagen noch immer Schmerzen. Der Arzt hatte zu, es war Wochenende und so googelte ich den Begriff „Wundheilung“. Die Seite „Gute Frage“ steht ganz oben in der Liste. Also klicke ich drauf.
Meine Frage wird vage beantwortet, schlauer bin ich kaum. Ich scrolle runter, um weitere Antworten zu lesen. Da könnte ja noch Wissenswerteres stehen. Ich staune, als ich eine Frage lese, die so gar nichts mit dem Thema zu tun hat.
Gewalt an Mädchen
Ein junges Mädchen fragt, ob es schon Vergewaltigung sei, wenn sie gegen ihren Willen angefasst wurde. Sie fragt weiter, ob man erst von Vergewaltigung spricht, wenn es auch Geschlechtsverkehr gab. Ich bin verwundert darüber, dass jemand so etwas im Netz fragt. Ich lese weitere Berichte von jungen Mädchen. Sie schreiben, wie sie mit Alkohol oder anderen Drogen gefügig gemacht wurden. Sie konnten zum Teil nicht einmal mehr sprechen, weil so betäubt oder betrunken waren.
Das entsetzt mich.
Es scheint viele Mädchen zu geben, die solch furchtbaren Erfahrung machen und sich nicht trauen, mit jemanden darüber zu reden. Die nicht einmal wissen, wie sie die Situation rechtlich einzuschätzen ist. Dabei ist es ganz einfach: Niemand darf einen anderen Menschen ohne Einverständnis unsittlich berühren. Alles was gegen den eigenen Willen geschieht, ist strafbar.
Gewalt an Mädchen: Wie hoch ist die Dunkelziffer?
Ich frage mich, wie viele meiner Freundinnen solche Geschichten kennen. Ich weiß auch noch, dass wir jung waren und uns bis ins Koma gesoffen haben. Im Häuschen auf dem Spielplatz wurde dann rumgemacht. Jungs mit jeder Menge Testosteron und jeder Menge Alkohol können eine gefährliche Mischung sein.
Die meisten Feiern, die ich besuche, sind lustig und gesellig. Trotzdem kommt mir ein komischer Gedanke, als ich einer Gruppe Jugendlicher im Edeka von Altona begegne. Die Jungs sind motiviert für den Abend. Mit dem billigsten Wodka in der Handsuchen sie nach noch einer zweiten Flasche. Zwischen ihnen steht ein sehr kleines Mädchen. Ich schätze, sie ist sehr jung. „Ich würde auch gerne noch etwas nicht so hartes trinken, sonst sterbe ich“, sagte sie und lacht übertrieben. Die Jungs entscheiden sich für Jägermeister.
Was werden die Jungs machen?
Sie schreien wirklich raus, wie sehr sie saufen wollen. „Heute will ich richtig betrunken sein“, meint einer. Ich frage mich, was in ein paar Stunden mit dem Mädchen ist. Ob sie sich dann noch bewegen oder reden kann? Was werden die Jungs dann machen?
Oder stellt morgen wieder ein Mädchen im Internet die Frage, wann man von Vergewaltigung spricht?
Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Sein Buch über sein Leben heißt: „Unter Palmen aus Stahl“, und wurde ein SPIEGEL-Bestseller. Überall im Handel und im Online-Shop von Ankerherz.
0 comments