50 Jahre Seenotretter: Wir feiern den Fischer Willi Jacobs
Ein halbes Jahrhundert Seenotretter: Seit 50 Jahren ist Wilhelm „Willi“ Jacobs freiwilliger Seenotretter im Fischerdorf Neuharlingersiel an der Nordsee. Genau genommen sogar noch ein paar Jährchen länger. Porträt eines Mannes, den Freunde mit Ankerherz vom Titel des Nordseebuchs „Inselstolz“ kennen. Als Fischer.
Es ist ruhig an diesem Morgen im Hafen von Neuharlingersiel. Nur einige Möwen kreischen und jagen sich gegenseitig das Futter ab. Fischkutter liegen an der Pier. Ein paar Menschen sind unterwegs, zumeist Einheimische wie Wilhelm Jacobs. Er steht auf der „Gorch Fock“, seinem Kutter. Sein Blick geht in Richtung See, zum Wattenmeer vor dem ostfriesischen Fischerort. Der 69-Jährige kennt jeden Priel, jede Sandbank, jede Untiefe. Er weiß aber auch, wie Ebbe und Flut am Watt nagen, es verändern, Wasserläufe verlegen und Fahrrinnen verschieben. Nichts was gestern war, muss heute noch Bestand haben.
Seenotretter und Fischer
Nahezu täglich ist „Willi Gorch Fock“ draußen auf der Nordsee. Früher als Fischer, heute als Gästeführer. Seit vielen Jahren zeigt er den Urlaubern mit seinem Fischkutter die einzigartige Naturlandschaft, erzählt ihnen von Schiffsunglücken und Rettungstaten. Wilhelm Jacobs kennt viele Geschichten, manche hat er als Seemann oder Seenotretter selbst erlebt, manche hörte er von seinem Vater oder Großvater. Seit vielen Generationen lebt und arbeitet seine Familie in Neuharlingersiel. Dort ist er zu Hause, Ostfriesland ist seine Heimat.
Direkt am Hafen ist Wilhelm Jacobs aufgewachsen – lediglich einen Fischwurf vom ehemaligen Rettungsschuppen der Seenotretter entfernt, der Anfang der 1960er Jahre dem Hafenumbau weichen musste. Dort war sein Spielplatz, genau wie es das nahe gelegene Wattenmeer war, seine Kindheit an der See prägte ihn. Von klein auf an sah er die Seenotretter rausfahren. Sah, wie das zehn Meter lange Motorrettungsboot über die Slipanlage ins Wasser rauschte, wenn wieder jemand auf See Hilfe brauchte.
Einer aus der Familie Jacobs ist fast immer an Bord der Rettungsboote, ab den 1960er Jahren auch Wilhelm Jacobs.
„Angst darfst du nicht haben“
Wie andere Familien im Ort stellen sich die Jacobs’ seit den Anfangstagen der DGzRS in Neuharlingersiel in den Dienst der Allgemeinheit. Die Familie ist fest mit dem Rettungswerk verbunden, mit der Gesellschaft, wie sie im Ort – und an vielen Orten der Küste – einfach sagen. Und auch für Wilhelm Jacobs gehört es einfach dazu, freiwilliger Seenotretter zu sein: eine Selbstverständlichkeit, über die er nicht viele Worte verliert. „Ich möchte anderen Menschen helfen, die auf See in Not sind“, sagt er bescheiden.
Er will kein Held sein, sich nicht mit seinem Ehrenamt schmücken, er macht einfach seinen Job als Seenotretter – und das seit einem halben Jahrhundert. Eigentlich sogar etwas länger, doch der damalige Vormann Heinrich Steffens hatte den heute 69-Jährigen erst mit 18 Jahren offiziell in der Zentrale der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in Bremen als Rettungsmann angemeldet.
Die Gefahren der Nordsee
Als Fischer und Seemann weiß Wilhelm Jacobs um die Gefahren auf See. Er hat Respekt vor den Naturgewalten. Aber: „Angst darfst du nicht haben, sonst darfst du nicht in die Seefahrt gehen.“ Er hat Gottvertrauen. Er vertraut seinem Schiff, der „Gorch Fock“, und noch mehr den Seenotrettungsbooten, mit denen er viel erlebt hat. In den 1960er Jahren ist er noch mit dem Motorrettungsboot ULRICH STEFFENS (III) rausgefahren, das heute im Rettungsschuppen am Hafen ausgestellt ist.
Bei längeren Nachtfahrten brach schon mal der Funkkontakt zur SEENOTLEITUNG in Bremen ab, die Seenotretter waren ganz auf sich allein gestellt. „Ein Kollege fummelte dann solange mit dem Schraubenzieher am Funkgerät rum, bis wir wieder eine Verbindung zur Zentrale hatten“, erinnert sich Jacobs und schmunzelt. Das waren noch ganz andere Zeiten als heute.
In seinen 50 Jahren als Seenotretter war Wilhelm Jacobs bei ungezählten Einsätzen dabei. Manche hat er schnell wieder vergessen, manche sind ihm im Gedächtnis geblieben wie eine festgekommene Segelyacht. „Sie wäre gesunken, wenn wir nur wenige Minuten später gekommen wären“, sagt er. Und was wäre dann mit der Besatzung passiert? Er schweigt für einen Moment.
Dann sagt er: „Wir waren gerade noch rechtzeitig da.“
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