Seemannsdiakon Sturm: Das Telefonbuch von Graf Luckner

Das Telefonbuch von Graf Luckner. Jeden Donnerstag, dem Seemannssonntag, erzählt Fiete Sturm, der Seemannsdiakon von Hamburg-Altona, eine Geschichte im Ankerherz Blog. Dieses Mal geht es um ein Telefonbuch von Graf Luckner.

Moin!

bei uns in der Seemannsmission Altona ist aktuell ziemlich viel los. Wir haben zum Beispiel kiribatische Seeleute im Haus, die schon seit z.T. über anderthalb Jahren unterwegs sind. Die normale Vertragszeit war ursprünglich neun Monate. Sie kommen immer noch nicht nach Hause, weil es derzeit keine Flüge gibt. Einer dieser Seemänner hat mir kürzlich noch erzählt, dass er erst die Geburt seines Sohnes nicht mitbekommen hat. Nun wird er auch noch seinen ersten Geburtstag verpassen.

Auch sonst wird uns nicht langweilig. Heute möchte ich euch mit einem komplett anderen, kuriosen Teil des Seemannsheimes vertraut machen.

Graf Luckner: Markenzeichen Telefonbuch

In den letzten fünf Jahren hat sich bei mir im Büro so allerhand Krempel angesammelt. Manche Dinge habe ich selbst zusammengetragen, anderes habe ich von meinen Vorgängern geerbt. Vieles davon ist eher profaner Natur. Beispielsweise eine alte Schiffsglocke, dekorative Steuerräder, ein paar Wimpel, Banner und Flaggen. Und dann noch ein massives, altes Ölgemälde eines Fischers, der vom Strand kommt, so wie eine alte Holzkiste mit unserem Namenszug.

 

Spannend wurde es dann, als ich beim Durchforsten unseres alten Tresors (Baujahr ca. 1890) auf einen alten, dicken Papierumschlag stieß und mir den Inhalt näher ansah. Auf den ersten Blick nahm ich nur ein kaputtes und vergilbtes Buch ohne Umschlag wahr. Auf den zweiten Blick wurde mir dann offenbar, dass es sich um ein halbes, zerrissenes Telefonbuch mit einer Signatur handelte. In feiner Handschrift lässt sich entziffern, dass das Buch offenbar von einem Felix Luckner im Jahr 1933 eigenhändig zerrissen worden ist.

Das Schreiben des Museums

Im Umschlag anbei liegt ein neueres Anschreiben des Altonaer Museums von 1993. In diesem, mit Schreibmaschine verfassten Brief erklärt ein Museumsmitarbeiter, dass er das Telefonbuch begutachtete. Er hat es für authentisch befunden, aber keinen Preis benannt. Dies müsse ein Auktionshaus tun. Aber empfiehlt, das Buch weder zu veräußern noch zu verschenken. Es aber aufgrund seines ideellen Wertes ggf. auszustellen.

Neugierig geworden, recherchiere ich ein wenig wer dieser „Felix Luckner“ eigentlich war. Und warum dieser Kerl  Telefonbücher zerriss und signierte.

Schnell werde ich im Netz fündig: Felix Graf von Luckner, auch „Seeteufel“ genannt, war offensichtlich eine schillernde Figur in der Zeit während des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Unter seinem Kommando vollbrachte es der Hilfskreuzer „Seeadler“ von 1916 bis 1917 angeblich, 16 feindliche Schiffe aufzubringen und zu versenken. Mit nur einem (Unfall-) Opfer auf gegnerischer Seite. Bei der Einnahme von Halle an der Saale im April 1945 durch die Alliierten war es u.a. Luckners Verdienst, dass die Stadt nicht zerstört wurde, sondern friedlich kapitulierte.

Ich liebe alte Rätsel

Auch wenn er kein Mitglied der NSDAP war, so sonnte er sich offenbar immer wieder in der Bewunderung der Nazi-Prominenz. Auch Berichte über eine Anklage wegen angeblicher pädophiler Neigungen tun seinem Glanz einen nicht unwesentlichen Abbruch.

 

Nichtsdestotrotz gehörte es scheinbar zu Luckners Masche, seine außergewöhnliche Kraft zu beweisen, indem er bei öffentlichen Anlässen gerne Telefonbücher mit bloßen Händen zerriss oder Münzen mit seinen Fingern verbog. Es war quasi sein Markenzeichen.

Das eines dieser Bücher im Besitz unseres Hauses ist, lässt mich wundern: Wie und unter welchen Umständen sind wir daran gekommen? Es macht mir Spaß, solchen alten Rätseln nachzugehen. An der Außenfassade der Seemannsmission hängt ein altes Stahlkruzifix, hinter dem eine spannenden Entstehungsgeschichte steht. Davon berichte ich ein anderes Mal!

Aus dem Hamburger Hafen,

euer Fiete Sturm

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