Stefans Geschichten vom Meer: Monster-Resort auf Rügen
Das Monster von Rügen. In dieser Folge von Stefans Geschichten vom Meer geht es um ein Bauprojekt, das die Insel Rügen womöglich für immer verändern wird. Und die Frage: Will man das auf einer Insel, die auch in Zeiten des Massentourismus ihre Seele bewahrte?
Von allen deutschen Inseln mag ich Rügen besonders, weil es seine Ursprünglichkeit bewahrt hat. Rügen ist eine große, begehbare Postkarte, mit Kreideklippen, dem Leuchtturm am Kap Arkona, dem Fischerdorf Vitt und der Seebrücke Sellin, um nur einige Höhepunkt zu nennen. Doch vor allem hat es sich eines bewahrt: Verwunschene Ecken, in denen keine Touristen, sondern Seeadler unterwegs sind.
Als mir ein Bekannter unter der Woche eine empörte Nachricht mailte, mochte ich es kaum glauben: „Baltic Sea Eco Resort“ heißt eines der größten touristischen Bauprojekt in Europa. Es soll auf der Halbinsel Bug im Osten der Insel entstehen. Eine 2,2 Quadratkilometer große Ferienanlage. 2300 (!) Betten, vier Hotels, 290 Ferienhäusern und eine Marina für mehr als 400 Boote.
Baukosten: 680 Millionen Euro. Bauzeit: drei bis vier Jahre. Baubeginn: angeblich noch in diesem Jahr.
Eine Insel diskutiert über ihre Zukunft
Man fragt sich, was eigentlich „Eco“ sein soll an diesem Resort, was vor allem „monströs“ zu sein scheint – und mit einem Schlag die Zahl der Betten auf Rügen um fast 15% erhöht. Man fragt sich als nächstes, wieso so schnell gebaut werden kann? In einer Zeit, in der ein Schierlingswasserfenchel wichtige Infrastrukturprojekte wie die Elbvertiefung in Bedrängnis bringt.
Die Baupläne für das Areal einer ehemaligen Militäranlage wurden vor zwanzig Jahren genehmigt. Immer wieder interessierten sich seither Investoren dafür. Immer wieder sprangen sie ab – und nun hat die Natur das Gebiet zurückerobert. Ein Paradies wuchs und wuchs, direkt am Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Im dichten Küstenwald leben heute unter anderem Hirsche. Es stehen also Bäume, wo in den alten Kartierungen nichts war.
Kann sich Rügen die Ablehnung leisten
Also, was gilt denn jetzt: Baurecht oder Waldschutz? Juristen kriegen hektische Flecken, und auf der Insel wird entsprechend emotional diskutiert. Wie verändert die erwartete Masse an Gästen und Autos die Insel? Befürworter verweisen auf 700 neue Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region. Nicht nur ein komplettes Dorf für Mitarbeiter, sondern gleich eine eigene Hotelfachschule soll gebaut werden. Was Umweltschützer dagegenhalten, muss ich wohl nicht erklären. Selbst aus der eher ungrünen CDU gibt es Stimmen, die von einer „Überbelastung der Infrastruktur“ warnen.
Doch es geht nicht nur um viel Natur, sondern um viele Millionen Euro. Um fertige Pläne der Architekten. Und um eine Frage: Kann sich die Insel überhaupt leisten, das Resort zu verhindern?
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Kleines Buch vom Meer: Inseln“ gibt es überall im Handel und hier im Ankerherz Buchladen.
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