Stefans Geschichten vom Meer: Die Kreuzfahrt und der Eisberg

Die Kreuzfahrt vor dem Eisberg. In Stefans neuer Geschichte vom Meer geht es um eine Branche, die gerne von Nachhaltigkeit redet. Am Liebsten aber in der Zeitform Futur 2 und im Werbeprospekt.

Wieder bombardieren russische Truppen in der Ukraine Wohnhäuser und töten Kinder, während hierzulande selbstverliebte Philosophen einen „Friedensbrief“ tippen. Der Gründer der Querdenker sitzt in U-Haft, weil er Spenden veruntreut haben soll, was jene, um deren Geld es geht, als staatliche Willkür anprangern. Das Land streitet schon wieder über den Sinn von Masken, während die Inzidenz bald vierstellig ist und Hamburg vom „Schlagermove“ heimgesucht wird.

Genau, es war wieder eine dieser Wochen.

Beinahe wäre noch ein Titanic-Moment auf einer Kreuzfahrt hinzugekommen. Vor der Küste von Alaska kollidierte das große Kreuzfahrtschiff „Norwegian Sun“ mit einem kleinen Eisberg. Auf einem Video ist zu erkennen, wie der Bug auf Steuerbordseite gegen den Growler knallt. Man hört einen wenig begeisterten Passagier. „Oh mein Gott!“, ruft der Mann immer wieder. Eine Familie aus Nevada sagte dem Fernsehsender CNN, es habe sich angehört, als habe jemand eine Tür laut zugeschlagen.

 

Kreuzfahrt Kurs Eisberg

Eine Erschütterung ging durchs Schiff, dann stoppte die Maschine. Die U.S. Coast Guard schickte Taucher, um den Schaden zu untersuchen. Sie stellten fest, dass das 258 Meter lange Schiff noch seetüchtig war und erlaubten die Weiterreise mit langsamer Fahrt. Die Reederei brach die Kreuzfahrt ab. Aktuelle AIS-Daten zeigen, dass das Schiff den Hafen von Seattle erreicht hat, wo es repariert werden soll.

Maximal 2250 Passagiere und 950 Crewmitglieder passen an Bord der „Norwegian Sun“. Eine untergehende Sonne hätte in der kalten See vor dem Hubbard Gletscher üble Folgen gehabt. Eine Rettung von mehr als 3000 Menschen vor Alaska? Na denn, viel Glück.

Millionen planen Kreuzfahrt? Wie bitte?

Kreuzfahrten vor Alaska sind beliebt. Radartechnologie und Systeme, die vor Eisbergen warnen, sollen die Gefahr solcher Kollisionen gering halten. Ein Restrisiko aber bleibt, wie die Havarie zeigt. Eine Kreuzfahrt als Spiel mit dem Eisberg – und das lässt sich auf das große Bild übertragen.

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Nach einer aktuellen Studie, die das Marktforschungsinstitut Human Highway veröffentlichte, planen 6.5 Millionen Deutsche eine Kreuzfahrt in den kommenden zwölf Monaten. Wirklich, sechseinhalb Millionen? Mitten in der Klimakrise und dies, obwohl der Begriff Nachhaltigkeit für viele Reedereien nicht mehr ist als eine Floskel aus dem Werbekatalog. Ausnahme ist das norwegische Unternehmen Hurtigruten.

Die meisten Schiffe aber sind noch mit Schweröl oder Marinediesel unterwegs. Von gut 1000 weltweit angelaufenen Kreuzfahrthäfen bieten nur 18 eine Versorgung mit Landstrom an, eine lächerliche Quote. Hamburg, Rostock und Kiel gehören dazu – doch hier gibt es ein anderes Problem. Weil Landstrom teurer ist, verzichten viele Reedereien. Die Kreuzfahrtindustrie hat angekündigt, klimaneutral sein zu wollen. Im Jahre 2050.

Um im Bild zu bleiben: Der Eisberg kommt näher.

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.

 

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