RNLI Tynemouth: Einmal in die Rolle der Retter schlüpfen

Einmal fühlen wie ein Retter. Stefan Kruecken in der Uniform der RNLI Seenotretter Tynemouth. Foto: Ankerherz

Zu Besuch bei der RNLI Tynemouth: Während der ersten Newcastle Lighthouse Tour von Ankerherz besuchten wir die Station der Retter. Eine Begegnung, die nachdenklich machte…

Nach ein paar Minuten wird es sehr warm in der knallgelben Montur der Helden, und so soll das auch sein. Geht ein Seennotretter im Einsatz über Bord, dann ist dieser Overall aus Neopren, in den die Stiefel eingeschweißt sind, die einzige Chance, in der kalten Nordsee zu überleben.

„Auch in den Details ist das Ding sicher“, sagt James Water, und tritt mir mit Wucht auf den Fuß. Hartplastik.

Zu Besuch bei der RNLI Tynemouth

James ist einer der knapp vierzig Retter der RNLI Station Tynemouth, einer kleinen Hafenstadt an der Mündung des großen Flusses, der Newcastle einst reich machte. Er hat eben die Tür geöffnet und führt uns durch die Räume direkt an der Fischquai. Draußen liegt der orangefarbene Seenotrettungskreuzer.

RNLI – die Abkürzung steht für „Royal National Lifeboat Institution“, eine Organisation mit Hunderten Stützpunkten entlang der Küsten Großbritanniens und Irland, 1824 gegründet. Wahrhaft königlich ist, dass die allermeisten der knapp 33.000 Retter freiwillig dabei sind – und die Gemeinschaft ihren Dienst für die Gemeinschaft finanziert. Durch Spenden, nicht durch Steuern.

Im Eingangsbereich fallen schwarze Tafeln ins Auge, auf denen man in kurzen Worten die dramatischsten Einsätze aus mehr als hundert Jahren notierte: Name des Schiffes, Problem, Zahl der geretteten Leben. Das letzte Drama gab es vor Kurzem, als ein Passagier von Bord der Fähre nach IJmuiden stürzte. Sechs Stunden suchten die Retter im Sturm. Vergeblich.

Ein anderes Video auf dem TV-Sender Sky zeigt ihren Einsatz für die Crew eines Fischtrawlers im Orkan „Arwen“, ein Höllenritt, der 18 Stunden dauerte. Zarten Gemütern wird allein bei der Ansicht der gewaltigen Wellen und des Geschaukels schlecht. Die Station hält auch den Rekord für den Einsatz, der sie weit hinaus und im wahrsten Sinne an die Grenze des Machbaren führte: 110 Seemeilen vor der Küste.

Was erwartet die Retter da draußen?

Wenn sie Pager in die Station ruft, wissen die Männer und Frauen nicht, was sie auf See erwartet. Einige sind Fischer und Berufsseeleute, andere aber, wie James, Mitte 30, arbeiten als IT-Experte oder Automechaniker. Ich sollte mir den gelben Überlebensanzug überstreifen, meinte er, um zu wissen, wie sich das anfühlt.

Nun frage ich mich: Wie wäre das wohl im Ernstfall? Wäre ich bereit, mein eigenes Leben zu riskieren, um andere Leben zu bewahren? Wäre ich der Aufgabe gewachsen, wenn sich vor den Leuchttürmen der Hafeneinfahrt meterhohe Wellen auftürmen?

Was sind die wichtigsten Eigenschaften, die ein Seenotretter mitbringen muss? James schaut mich an. Er grinst.

„Das ist recht einfach: Du musst dumm genug sein und nahe der Küste wohnen“. Bloß keine Männerschweiß-Romantik. Echte Helden brauchen das nicht.

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Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Muss das Boot abkönnen“.

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