155 Jahre Seenotretter – Lebensrettung statt Party

Die Seenotretter wurden am Freitag 155 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch! Doch statt einer Feier, die in Zeiten der Coronakrise ohnehin ausfallen muss, gab es jede Menge Arbeit auf der Nordsee und Ostsee. Fünf Einsätze der letzten drei Tage beweisen, wie elementar wichtig die Arbeit der Seenotretter an Deutschlands Küsten ist.

Einsatz 1, Segler in der Kieler Bucht. Mittwoch Abend

Bei böigem Wind kentert auf der Kieler Förde eine Jolle. Etwa 800 Meter vor der Küste treibt das Boot der Segler kieloben in den Wellen. Winkend und mit einer Trillerpfeife versuchen zwei Männer, auf ihre Notlage aufmerksam zu machen. Zehn Minuten später sind die Seenotretter mit dem Seenotkreuzer Berlin vor Ort. Mit ihrem Tochterboot Steppke retten sie die beiden etwa 30 bis 35 Jahre alten Kieler.

Sie versorgen die leicht unterkühlten Schiffbrüchigen mit Wärmewesten und Wolldecken. Am Schilkseer Fähranleger übergeben sie die Segler zur weiteren Versorgung an den Landrettungsdienst und kümmern sich anschließend um die gekenterte Jolle. Sie lenzen das eingedrungene Wasser und schleppen den Havaristen in den Olympiahafen Schilksee.

Einsatz 2 und 3, Kinder vor Fehmarn. Donnerstag.

Das hätte richtig böse enden können: Die Crew des Seenotrettungsboots Romy Frank ist auf Kontrollfahrt vor dem Südstrand der Insel Fehmarn. Segler machen die Seenotretter winkend auf etwas aufmerksam, und auch auf der Hafenmole signalisiert eine Person, dass etwas nicht stimmt.

Schnell erkennen die Seenotretter den Grund für die Aufregung: Zwei kleine Jungen sind mit einem Stand-up-Board etwa einen halben Kilometer weit vom Strand abgetrieben! „Sie saßen in Badebekleidung auf dem Brett und hatten bei Nordwestwind um vier Beaufort und starker Strömung keine Chance, aus eigener Kraft das Ufer zu erreichen“, sagt der erfahrene Seenotretter Andreas Bluhm.

 

Er fährt mit der Romy Frank an die Kinder heran. Die Seenotretter nehmen sie über die Bergungspforte an Bord. Die Wassertemperatur beträgt 14 Grad Celsius, doch unterkühlt sind die Zwillinge (acht Jahre alt), glücklicherweise noch nicht. Das Seenotrettungsboot fährt sie Richtung Strand, wo ihnen schon der besorgte Vater entgegen schwimmt. Die Familie aus Sachsen-Anhalt ist zum Urlaub an der Ostsee.

Die Seenotretter setzen ihre Kontrollfahrt Richtung Orth auf Fehmarn fort. Der nächste Einsatz folgt wenig später: Ein manövrierunfähiges Motorboot benötigt Hilfe. Die Seenotretter nehmen den Havaristen auf den Haken und schleppen ihn sicher nach Heiligenhafen.

Einsatz 4, Alleinsegler vor Juist, Freitagnachmittag

Der Alarm kommt von der vollbesetzten Inselfähre „Frisia IX“ um kurz nach 16 Uhr. Nahe der Itzendorfplate zwischen Juist und Norddeich ist eine Jolle gekentert. Wenige Minuten rasen die Freiwilligen des Seenotrettungsboot Hans Dittmer der Station Juist los zum Unglücksort, wo die Fähre „Frisia IX“ Windschutz bietet und der kleinere „Töwerland-Express“ ebenfalls auf „Stand-by“ wartet. Der auf Norderney stationierte Seenotrettungskreuzer Eugen macht sich ebenfalls auf den Weg.

 

Zehn Minuten nach der Alarmierung sind Juister Seenotretter vor Ort. Von der Jolle ist nur noch wenig zu sehen – und es geht jetzt um jede Sekunde. „Das Rigg war weg, Dreiviertel des Rumpfes ragten aus dem Wasser, der Mast zeigte beinahe nach unten. Der Schiffbrüchige war eingekeilt, nur der Kopf ragte aus dem Wasser“, schildert Vormann Hauke Janssen-Visser die Lage auf See.

Der Schiffbrüchige ruft, dass er keine Kraft mehr hat. Die Seenotretter werfen ihm eine Leine zu und ziehen ihn durch die Bergungspforte an Bord. Auf dem Seenotrettungsboot übernehmen sie seine Erstversorgung. Seine Körpertemperatur ist bereits auf 34 Grad Celsius abgesunken.

„Wir sind im buchstäblich letzten Moment gekommen“, sagt Vormann Janssen-Visser.

Schnell bringen die Seenotretter den 62 Jahre alten Juister nach Norddeich und übergeben ihn an den Landrettungsdienst. Crews des Seenotrettungskreuzers Eugen und der Frachtfähre „Frisia VII“ richten die Jolle wieder auf. Über die RoRo-Hecklappe ziehen sie das Boot an Bord und transportieren es nach Norddeich.

Einsatz 5, Feuer im Maschinenraum, Neuharlingersiel

Der nächste Alarm geht schon um kurz nach 18 Uhr in der Seenotleitstelle Bremen ein. Ausflugsfischkutter „Seestern“ meldet einen Maschinenbrand, im Watt zwischen Neuharlingersiel und Spiekeroog. An Bord sind elf Passagiere und drei Besatzungsmitglieder.

So schnell wie möglich macht sich die Freiwilligen-Crew Neuharlingersiel aus dem gleichnamigen Fischerdorf auf den Weg. Der Besatzung des Kutters gelingt es, den Brand mit Bordmitteln zu bekämpfen. Die Seenotretter übernehmen die erleichterten Passagiere und bringen sie in den Hafen.

Diese Einsätze geben einen Eindruck davon, was die Seenotretter leisten. Es ist so wichtig, dass es sie gibt. Wir haben ihrer Arbeit mit unserem Buch Mayday ein Denkmal gesetzt. Das Buch gibt es ohne Versandkosten hier bei uns im Online Buchladen von Ankerherz.

 

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