Als ein Tornado über die kleine Nordseeinsel Baltrum zog

Der Tornado von Baltrum. Die Bewohner der kleinsten ostfriesischen Insel sind sturmfest. Was aber im Sommer vor einigen Jahren über die Nordsee heranzog, hatten sie noch nicht erlebt. Christof „Tüte“ Schmiegel, Chef des „Skipper´s Inn„, erinnert sich.  Gekürzter Auszug aus unserem Nordsee-Buch „Inselstolz“.

Ich mag die Stürme, das Raue, das Wilde der Nordsee. Einmal aber war ich näher an den Naturgewalten, als mir lieb war. Es war ein Alptraum, der am 12. Juli 2010, einem warmen Sommertag, über unsere Insel kam.

Ein Tornado!

Ich hatte gerade Freunde mit meinem Boot auf dem Festland abgesetzt, im Hafen des Fischerdorfs Neßmersiel, als mein Handy klingelte. Sandra war dran und an der Art, wie ihre Stimme klang, merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte.

„Tüte, pass auf! Da zieht ein böser Sturm auf!“ Ihre Stimme überschlug sich. „Fahr bloß nicht zurück!“

Ich dachte: Ein böser Sturm? Sie übertreibt. Ich bin in masthohen Wellen vor Baltrum gesurft, ich war bei jedem Wetter draußen. Ich kenne das Meer. Olaf, unser Inselpilot, der mit einem Motorschaden in Neßmersiel lag und mich gebeten hatte, ihn und einige Familienmitglieder zurück nach Baltrum zu schleppen, schaute in den Himmel.

Der Tornado von Baltrum

„Kein Problem, Tüte. Das Unwetter ist noch weg. Wir packen das.“ Baltrum ist ein wenig wie das unbeugsame gallische Dorf, das vor nichts und niemandem Angst hat. Der erste Imbiss am Hafen heißt Verhungernix, mein kleiner Hund Idefix. Mit knapp fünf Knoten schleppte meine Bangvörnix Olafs Boot Richtung Insel.

 

Kurz vor Ende des Leitdamms, der entlang des Priels Richtung Baltrum verläuft, stockte mir der Atem. Ich hatte noch nie so etwas gesehen. Es sah aus, als ob Gott den Himmel in einen Eimer Pech getaucht hatte. Eine schwarze Wand, eine dunkle Faust aus Wolken. Ich kannte das nur aus Endzeitfilmen. Wirklich beängstigend. Zum Glück hatten mich die Jahre auf dem Surfbrett gegen Panikattacken abgehärtet.

Jetzt nur die Ruhe bewahren

In solchen Situationen heißt es: ruhig bleiben. Ich gab ein wenig mehr Gas, um schnell hinter den Leitdamm zu kommen. Bei stärkerem Wind hätte sonst eines der Boote gegen die Steine geschleudert werden können. Wir hatten gerade die Spitze des Dammes passiert, als die Hölle losbrach: Sturm, Hagel, Starkregen. Mein Boot wurde vom Wind versetzt, der Motor setzte auf einer der Sandbänke auf, ich musste ihn hochnehmen. Olaf und seine Familie kauerten in seinem kleinen Kajütboot, während ich mich unter die fünfzig Zentimeter meines Steuerstandes quetschte, um Sandra eine SMS zu schicken. Bangvörnix wurde von den Wellen hin und her geschleudert.

Ich tippte: „Mir geht es gut, mach dir keine Sorgen.“

Dass Sandra zum selben Zeitpunkt am Hafen auf mich wartete und sich nur mit einem Sprung vor einer fliegenden Gangway gerettet hatte, konnte ich nicht ahnen. Ein Strandkorb traf eine Frau und brach ihr den Kiefer. Eltern warfen sich über ihre Kinder und Hunde wirbelten durch die Luft. Der Tornado fräste eine Spur der Verwüstung über unsere kleine Insel.

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Meine Sorge galt Olafs Boot, das fünfzehn Meter hinter mir immer tiefer in die Wellen tauchte. Der Hagel hörte schließlich auf, ich fuhr den Motor wieder. Das gesamte Meer war mit Gischt überzogen, Dunst nahm mir die Sicht. Zum Glück hatte Olaf GPS an Bord. Sein Sohn stand auf dem Bug und lotste mich mit Handzeichen Richtung Baltrum. Wir waren knapp eineinhalb Kilometer abgetrieben und schon ins Fahrwasser von Langeoog geraten.

Eine gefühlte halbe Stunde kämpften wir gegen den Wind, bis wie die Umrisse der Hafengebäude erkennen konnten. Als wir einliefen: strahlender Sonnenschein, klarer Himmel, kein Windhauch. Als sei nichts geschehen.

Auch das war unheimlich.

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