ANKERSCHMERZ: Eine neue Chance für Obdachlose

Jeden Samstag schreibt Ankerherz-Autor Dominik Bloh eine Kolumne für die Hamburger Morgenpost. „Auf den Straßen von Hamburg“ ist ein anderer Blick auf die Großstadt. Ein Blick auf das Leben ganz unten. In dieser Woche geht es um ein Projekt, das eine Chance für Obdachlose sein kann.

Vor kurzem habe ich in Berlin ein Projekt besucht, das „Neue Chance“ heißt. Es ist ein Programm, das versucht, Menschen direkt in eine Wohnung zu vermitteln. Kein Träger ist dazwischen geschaltet, es gibt kein Stufensystem. Man wird selbst der Mieter. Bedingungsloses Wohnen ist das Konzept, das hinter „Housing First“ steckt.

Unter Palmen aus Stahl, das Buch von Dominik.

 

Die Idee stammt aus den USA. Dort fragte man Menschen, die auf der Straße leben, was sie am Dringendsten brauchen. Die häufigste Antwort? Eine Wohnung. Genau das konnte man aber bis dahin nie anbieten. Also arbeitete man an einem Paradigmenwechsel: Erst sollte ein Mensch von der Straße wieder ein Zuhause bekommen. Anschließend wollte man die anderen Probleme angehen. Inzwischen ist diese Methode auch in Europa angekommen und zeigt deutliche Erfolge. Die meisten Menschen bleiben auch in ihren Wohnungen und schaffen es runter von der Platte.

Eine Chance für Obdachlose

Mich hat man auch von der Straße geholt. An einem Abend, als ich die Menschen der „Dekeyser & Friends Stiftung“ zum ersten Mal beim Essen traf. Ich schaute nach draußen. Es regnete und ich sah, wie der Wind die Schilder der Läden heftig hin- und herschwingen ließ. Es war richtig ungemütlich. „Gleich muss ich da wieder raus“ dachte ich und überlegte, wo ich hingehen würde.

Ich musste nicht mehr auf die Straße. Erst konnte ich in der „Superbude“ bleiben. Im April 2016 fand die Stiftung eine Wohnung für mich. Ich habe den Mietvertrag bekommen und die Stiftung zahlte mir die Miete. Heute übernimmt sie mein Verlag. Auf der Straße war ich heute hier und morgen da. Lebte von der Hand in den Mund und war einfach immer damit beschäftigt Grundbedürfnisse zu befriedigen. Immer in Bewegung, doch es hat sich nichts geändert. Erst als ich meine Wohnung bekommen habe, begann die Veränderung und plötzlich kamen die Dinge in Bewegung.

Mein Leben hat sich komplett verändert

Wir alle brauchen erst eine Wohnung und dann kann man seine Sachen regeln. Die Straße ist eine andere Welt und man wird nie beide in Einklang bringen. „Housing First“ ist eine Chance. Es spart eine Menge Geld. Es ist günstiger als dieser große Hilfsapparat, der an vielen Stellen stottert. Dazu braucht es Wohnungen von privaten Vermietern. Die Wohnungsnot betrifft in Hamburg sehr viele Menschen.

Alternatives Wohnen sollte Platz finden bei allen Überlegungen. Mein Leben hat es komplett geändert. Ich bin mir sicher, ich wäre kein Einzelfall. Manchmal stelle ich mir vor, wie ich auf der Titelseite der MOPO folgende Überschrift lese: „Kein Mensch ist obdachlos in Hamburg“. Das würde mich wirklich glücklich machen. Genau das traue ich unserer Stadt zu.

 

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Sein Buch über sein Leben heißt: „Unter Palmen aus Stahl“,  und wurde ein SPIEGEL-Bestseller. Überall im Handel und HIER BEI UNS im Online Shop.

 

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