ANKERSCHMERZ: Prügel wegen einer St.Pauli-Hose

HSV gegen St. Pauli, und ich habe schon viel gelesen über das Hamburger Derby.  Nichts davon hat mit Fußball zu tun. Gewaltandrohungen in den Sozialen Netzwerken. Strohpuppen, die von Brücken baumeln. Schlägereien in der Stadt: Zwei verletzte HSV-Fans nahe der Landungsbrücken, und in Stellingen schlagen sie auf einen Mann ein, weil er einen Pullover mit dem Logo von St. Pauli tägt. Bestimmte Gruppierungen mobilisieren sich im Internet. Sie wollen in Stadtteilen, wo vermehrt gegnerische Fans unterwegs, „auf die Jagd“ gehen.

Wie war das noch gleich mit Menschenjagden?

Am Abend saß ich noch mit einer Freundin auf einer Bank in Altona. Ich trage eine St. Pauli Hose.  Da sah ich eine Truppe von Polizisten, die uns entgegen kam. Dazwischen eine Gruppe dunkler Gestalten in schwarzen Jacken oder Kapuzenpullovern. Hier und da konnte man die Raute sehen. Die liefen einfach durch die Große Bergstraße und wurden von der Polizei eskortiert. Ich war froh, dass die Beamten vor Ortwaren. Was wäre, wenn ich mit meiner Hose zum Bahnhof gegangen oder und denen ohne die Polizei in die Arme gelaufen wäre?

Das Hamburger Derby und die Gewalt

Ich wohne eine nur Bahnstation vom Volksparkstadion entfernt. Am Wochenende höre ich meine Nachbarin schreien und schimpfen. Dann weiß ich Bescheid: Der HSV spielt. Ich google dann noch einmal, bevor ich rausgehe, weil ich weiß, dass ich nicht in St.Pauli Klamotten in die Bahn steigen kann. Ich kann also in meiner Stadt nicht jederzeit anziehen was ich möchte, ohne zu riskieren, auf die Fresse zu kriegen.

Das ist schade.

 

Als Kind war Fußball mein Traum. Mein bester Freund und ich, wir haben für VFL93 gespielt. Erst waren wir Feldspieler, dann fanden wir Richard Golz so toll, dass wir auch zwischen die Pfosten wollten. Irgendwann haben wir beide aufgehört mit dem Fußball. Mein Freund ist später HSV-Hooligan geworden und schlägt sich auf dem Acker. Sollen sie sich gegenseitig für ihre „Dritte Halbzeit treffen und sich die Köpfe einschlagen. Aber Unbeteiligte müssen in Ruhe gelassen werden.

Am Sonntag wird das Hamburger Derby gespielt. Das heißt auch: Am Sonntag werden sich Leute schlagen – angeblich, weil sie Fans sind. Aber mit Fansein hat das überhaupt nichts zu tun. Es geht bei vielen nur um die Gier auf Gewalt. Die wirklichen Fans werden sicham Sonntag in Acht nehmen müssen, nicht in die falsche Ecke zu geraten. Ich wundere mich, dass wir Gewalt in und um Stadien als normal empfinden. Hooligans haben im Fußball nichts verloren. Sie gehören nicht ins Stadion, sondern in ein Anti-Agressionstraining. Ich würde mir von beiden Vereinen ein deutliches Signal wünschen: dass in dieser Stadt Platz für beide Vereine und ihre Fans ist. Aber nicht für als Fans getarnte Hooligans.

 

Unter Palmen aus Stahl, das Buch von Dominik.

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Sein Buch über sein Leben heißt: „Unter Palmen aus Stahl“,  und wurde ein SPIEGEL-Bestseller. Überall im Handel und HIER im Online Shop.

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