ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Das goldene M

So einfach haben sie mich wieder gekriegt. Ein Big Mac für nur zwei Euro im Angebot und ich werfe alle meine Prinzipien über den Haufen. Ich ärgere mich.

McDonald´s begleitet mich schon lange, es war einmal richtig wichtig für mein Leben. Als ich auf der Straße lebte war eine Filiale eine Anlaufstelle in der Nacht. Vor allem der rund um die Uhr geöffnete Laden in der Wandelhalle des Hauptbahnhofs. Es war ein Ort, an dem ich verweilen konnte, ohne sofort von Sicherheitsleuten vertrieben zu werden. Die Kunst war es, so zu dösen oder kurz zu schlafen, dass sie es nicht mitbekamen. Oder wach zu bleiben, in dem ich in der MOPO las.

Das goldene M

Heute komme ich auf dem Weg zu Lesungen überall in Deutschland in den Bahnhof. Das Erste, was mir ins Auge fällt, ist das goldene M. Das Eingangsschild zu einem Fresstempel. Es ist doch ironisch, dass sie Werbung mit dem Slogan machen: „Deine neue Grundversorgung“. Das ist es bestimmt auch für viele arme Menschen. Viele Kalorien für wenig Geld, so einfach ist das.

 

Auch ich habe mich von Ein-Euro-Burgern ernährt. Heute kann ich entscheiden. Ich bin dank meiner Jobs als Autor und Arbeiter auf dem Bau nicht mehr darauf angewiesen, dass Essen sehr billig ist. Trotzdem sitze ich hier. Geiz ist wohl doch geil. Ich bin so wütend auf mich. Wieso lasse ich mich so leicht beeinflussen?

Auf der Straße lebt man aus der Tonne

Jetzt kaue ich auf meinem mit doppelt Fleisch belegten Burger, denke an den Hunger von früher und dass man sich oft für das kurze Gefühl von Vollsein entscheidet. Ich musste oft das Loch im Bauch stopfen. Es gibt einen Spruch: „Du bist, was du isst.“ Was ich gerade in diesem Moment bin, gefällt mir nicht.

Auf der Straße lebt man aus der Tonne. Ich erinnere mich, wie ich kurz vor Feierabend in einer großen Bäckerei-Kette gefragt habe, ob ich noch ein paar Backwaren mitnehmen dürfe. Das wurde immer abgelehnt. Aus Interesse habe ich gefragt, ob das wenigstens gespendet wird. Nein“, kam schroff zurück.Viele schmeißen ihre Reste einfach weg. Ich werde nie vergessen, wie ich hungrig auf einen Berg Essen schaute, der kurz darauf einfach weggeschmissen wurde.

Verschwendung überall

Wir leben in einer so krassen Verschwendungsgesellschaft. Supermärkte und Bäcker entsorgen ihre Waren lieber, statt sie zu spenden. Wie kann das sein? Die Schlangen der Bedürftigen, die bei den Tafeln anstehen, werden immer länger und an vielen Orten können nicht mehr alle Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden. Es sollte ein Gesetz geben wie in Italien und anderen Ländern: Läden sollten nichts wegschmeißen dürfen, was noch verwertbar ist.

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Gerade erschien sein Buch darüber: „Unter Palmen aus Stahl“, überall im Handel und hier im Online Store.

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