Ankerschmerz, Straßengeschichten: Die schönste Woche
Es ist Montag und ich fahre mit der Fähre zu den St. Pauli Landungsbrücken. Oben auf dem Deck ist niemand mehr, es ist dunkel und der Wind weht stark. Ich fahre über das Wasser und schaue auf meine Stadt voller Lichter.
Ich treffe mich mit Stefan im Blockbräu um mein Buch abzuholen. Er hat Keno dabei, den Lohner aus Ostfriesland. Keno ist über Nacht bekannt geworden und gehört nun zur Ankerherz Familie. Die beiden kamen gerade von einem Interview. Keno ist ein korrekter Mensch, mit einer richtig positiven Ausstrahlung. Der Geruch der frisch gedruckten Seiten, der Moment, das Buch in den Händen zu halten – unfassbar. Ich freue mich und denke an meine Großeltern. Ich wünschte ich könnte ihnen das zeigen.
Ich muss weiter. Ich bin eingeladen bei den Wohnzimmergeschichten im Sommersalon. Ich nehme zwei Bücher mit. Es ist ein schöner Abend. Wir schnacken eine entspannte Stunde und die Menschen hören interessiert zu. Im Sommersalon arbeitet die Frau, die ich echt sehr geliebt habe. Sie ist gegangen, weil sie meine Lügen nicht mehr ertragen konnte. Seit sechs Jahren haben wir kaum etwas miteinander zu tun. An diesem Abend ist sie da. Ich schenke ihr mein erstes Buch. Sie muss lachen und wir nehmen uns in den Arm. Ich sollte sogar noch etwas reinschreiben.
Ich schenke einer Fremden das Buch
Mit einem Buch fahre ich nach Hause. In der Bahn sitzt eine Frau, ich merke, dass sie immer wieder auf das Buch schaut. Ich habe es auf die Rückseite gelegt, aber der Klappentext ist wohl ganz gut. Als ich aussteige sage ich ihr, dass ist mein zweites Exemplar, ich habe das Buch heute bekommen. Viel Spaß beim Lesen! Sie lacht und bedankt sich.
Ich drehe mit dem NDR einen Beitrag. Wir sind an Plätzen unterwegs an denen ich mich oft aufhalte. Wir nehmen eine Szene auf bei der ich am Bankschalter stehe, mein Gehalt war noch nicht überwiesen. Ich checke den Kontostand und das Geld ist drauf. Alles gut. Man kann sehen wie ich mich freue. Der Beitrag wurde ausgestrahlt. Am nächsten Tag kamen Schüler zu mir und sagten sie haben mich im Fernsehen gesehen. Sie wüssten jetzt wie mein Bett aussieht. Wir lachen.
Dominik Bloh: Der große Abend im Grünspan
Es ist Mittwoch. Das Gruenspan ist voll. Ich bin aufgeregt, aber auch voller Vorfreude. Ich dachte ich wäre alleine, jetzt nehme ich Menschen in die Arme und teile diesen besonderen Moment mit Freunden und Bekannten. Jürgen ist vorbeigekommen und er hat mich oft zum lachen gebracht. Ich darf aus dem Buch vorlesen.Vor zwei Jahren stand ich mit Ameen am Hafen und wir wussten nicht wohin. Jetzt waren wir auf dieser Bühne und durften unsere Kunst zeigen.
Samstag. Ich habe die Seiten der Mopo als Teller ausgelegt um mein Essen darauf zu legen oder es darin eingewickelt. Ich habe mir mit dem Papier die Nase geputzt, weil nichts anderes da war. Ich habe viele Lagen Papier unter meinen Pullover gestopft, damit der Wind weniger durchzieht. Ich habe meine Schuhe mit dem Papier ausgestopft damit sie nicht weiter durchnässen. Um durch die Nacht zu kommen kaufte ich am Hauptbahnhof immer eine Morgenpost. Sie ist eine günstige Zeitung und man bekommt sie als einer der ersten zu kaufen. Ich löste das Kreuzworträtsel um nicht bei Mc D am Tisch einzuschlafen. Ich las jedes einzelne Wort um Zeit zu überbrücken und um wenigstens etwas auf dem laufenden zu bleiben.Die Mopo war für mich mehr als eine Zeitung, sie war Teil meiner Ausrüstung.
Ich schlage die Morgenpost auf und lese meine erste Kolumne. Meine Wörter sind dort abgedruckt. Das ist so krass.
Am Abend gehe ich zur Bank. Ich lese oft von unerwünschten Obdachlosen in den Vorräumen der Banken. Viele Banken schließen inzwischen über Nacht ab. Ich sehe zwei Männer. Ich überlege kurz ob ich draußen Geld abheben soll. Ich gehe rein. Ich lerne Kakub und Martin kennen. Beide sind aus Polen. Beide zusammen haben Haftstrafen von zwanzig Jahren, wegen kiffen in der Öffentlichkeit. Sie sind geflohen und bauen jetzt ihr Schlafplatz in der Bank auf. Jakub sehe ich öfter, wir reden kurz, ein guter Junge. Von draußen hatte ich ihn nicht erkannt. Er fragt nach Tabak. Wir drehen uns alle noch eine. Wir rauchen und quatschen.
Ich erzähle von meinen Buch und sie gratulieren mir. Ich versuche ihnen Mut zu machen und sage, dass sich noch alles ändern kann. Wir verstehen uns eigentlich nur mit Händen und Füßen, aber wir lachen viel. Ich verabschiede mich. Martin macht seinen Rucksack auf. Er holt Brot und Wurst und eine handvoll Duplos heraus. Er möchte sich für den Tabak bedanken. Er zeigt auf seinen Rucksack. Genug da. Die Jungs haben nichts und teilen trotzdem. Das erlebe ich immer wieder. Die die wenig haben scheinen mehr zu geben. Ich bin von Herzen berührt. Ich nehme zwei Duplos und gehe.
Was für eine Woche.
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