ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Ein Café für Obdachlose

„Willkommen!“ In dutzend Sprachen steht diese Einladung mit Kreide auf die große Tafel gemalt. Für eine Woche hatten Leute in der Sternstraße 67 ein Café für Wohnungslose eröffnet. Menschen aus der Nachbarschaft brachten Sachen rum, vor allem Klamotten, die inzwischen ordentlich sortiert auf Kleiderstangen hängen. Obdachlose können einfach kommen, nach oben gehen, sich Kleider vom Bügel nehmen und anprobieren.

“Endlich kann ich mir mal etwas aussuchen”, sagt einer. Woanders bekommt er nur eine Hose in die Hand gedrückt. Manchmal ist sie zu groß, aber er mag nicht nachfragen, das kommt nicht gut an. Darum nimmt er, was er kriegt. Wolfgang zeigt mir die Löcher in seinen Schuhen. “Nach sechs Wochen schon kaputt”, beschwert er sich.

„Armut ist teuer“, antworte ich, „billige Sachen gehen schnell kaputt.“ Wir finden im Obergeschoss ein gutes Paar Timberlands. Seine Augen leuchten, als er hineinsteigt und die Schuhe passen.

Ein Café für Obdachlose

Das Café für Obdachlose soll ein Ort sein, an dem man sich wohlfühlt. Es war uns wichtig, dass wir das Essen mit richtigem Geschirr servieren. Frische Blumen stehen auf jedem Tisch. Hier ist es wie in jedem anderen Café eben auch. Alles ist liebevoll angerichtet. Es gibt in der Stadt Tagesaufenthaltsstätten, zu denen Obdachlose hingehen können, doch viele sind trist und trostlos. Das kenne ich von früher. “Da vegetiere ich dahin, schlage die Zeit tot und dann geht’s weiter”, meint einer zu mir.

Wir haben viele Helfer. Bei uns muss niemand alleine sitzen. Menschen kommen ins Gespräch. Sie fühlen sich willkommen. “Einfach mal reden über ganz normale Dinge”, sagt Thorsten, den ich am Mittwoch kennengelernt habe. “Nicht nur woher der nächste Schluck oder Euro kommt.” Auf der Straße geht es meist um die Probleme der Straße.

Wir sind ein Begegnungsort. Ich mag das Wort nicht, aber den Sinn dahinter, den verstehe ich. Wir laden die gesamte Nachbarschaft ein. Menschen essen gemeinsam, sitzen am Tisch und lernen sich kennen. Was mir auffällt: Auf den ersten Blick erkenne ich nicht, wer hier obdachlos ist und wer nicht. Das Bild des verwahrlosten Penners trifft einfach nicht zu.

So viele machen mit

Immer wieder kommt jemand herein, um etwas vorbeizubringen. Wir haben Kaffee bekommen, Kuchen, Muffins, Obst, Suppen. Die Menschen wollen mitmachen im Café für Obdachlose und diese Aktion zeigt, wie einfach helfen sein kann.

An diesem Wochenende wird es noch Beratung geben. Ein Arztmobil wird eine Sprechstunde haben und Friseure kümmern sich um einen neuen Haarschnitt. Viele fragen, ob es weitergeht. Sonntags sind die meisten Tagesaufenthaltsstätten geschlossen. Vielleicht gelingt es uns, diese Lücke irgendwie zu schließen.

 

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Gerade erschien sein Buch darüber: „Unter Palmen aus Stahl“, überall im Handel und hier im Online Shop von Ankerherz.

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