ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Gewalt gegen Obdachlose

Ich bin aufgewachsen mit dem Begriff „Penner“ als Schimpfwort. Ich könnte nicht zählen, wie oft ich es schon gehört habe. Gewalt fängt mit Worten an. Wieso wundere ich mich nicht, warum es so viel Gewalt gegen Obdachlose gibt ?  

Denn schon wieder wurde ein Obdachloser brutal angegriffen, diesmal in Hannover. Mit einem Pflasterstein wurde ihm mehrmals auf den Kopf geschlagen. Der Mann schwebt in Lebensgefahr. Ich werde über jeden dieser Fälle schreiben, denn viel zu oft wird darüber geschwiegen und ein Mensch  ohne Name wird unbekannt bestattet.

Es gibt keine konkrete Statistik, wie viele Wohnungslose Opfer von Gewalttaten werden.

Vor Gericht werden Angeklagte oft aus „Mangel an Beweisen“ freigesprochen. Es ist einfach, die Schwächsten anzugreifen, denn sie haben keinen Schutz. Viele können sich nicht wehren und trauen sich auch nicht, die Polizei einzuschalten, weil sie Angst haben, draußen erneut aus Rache angegriffen zu werden. Ich selber habe früher auf der Straße meinen Schlafsack nie ganz zugezogen, um schneller herauszukommen, wenn ihn jemand anzünden sollte. Ich hatte immer ein Feuerzeug in einer Hand, wenn ich schlief, um mich besser mit Fäusten wehren zu können, falls jemand auf meinen Schlafsack pinkelt.

Dominik Bloh_Hafen

Gewalt gegen Obdachlose beginnt mit Worten

Die meisten Taten sind menschenverachtend. Brutal und sadistisch. Oft scheint es kein Stop zu geben. Es ist auffällig, dass die Gewalt gegen Obdachlose oft eskaliert. Es scheint keine Grenze zu geben, keine Hemmung bis hin zur Tötung eines Menschen.

Denn genau das ist diese Person nicht mehr für die Täter. In deren Augen sind Obdachlose keine Menschen mehr.

Schon als Kind wird dir ein bestimmtes Bild von Obdachlosen vermittelt. Jeder, der wie ich gerne die Abenteuer von „TKKG“ hörte, hat schon früh solche Unterhaltungen zu hören bekommen. Ich erinnere es noch:

Karl: „Scheinen ziemlich zäh zu sein diese Penner. Vielleicht liegt das daran, dass sie sich immer schonen? Sie haben keinen Stress, keine Verantwortung, keine Aufgaben und sie leben trotzdem.“

Tim: „Was nicht geübt wird verkümmert. Schonung stärkt nicht, sondern schwächt. Das ist ein Naturgesetz und gilt für alles.“

Die Gewalt gegen Obdachlose wird früh gelehrt

Die Feindlichkeit gegen Obdachlose wird gesteigert durch das Verhalten gegenüber Wohnungslosen in den Städten. An öffentlichen Plätzen spricht man von „Säuberungen“, wenn man Maßnahmen ergreift, um Obdachlose von dort zu vertreiben. Gewalt fängt mit Worten an.

In den Innenstädten befürworten viele ein Bettelverbot. Es gibt öffentliche Räume, aus denen Menschen, die einfach nur wohnungslos sind, verdrängt werden. Das führt zu einem negativen Bild von Obdachlosen und es führt dazu, dass Menschen einen tiefen Hass auf diesen Teil der Gesellschaft bekommen.

Doch gerade dann, wenn Leute meinen, sie täten der Allgemeinheit einen Gefallen, wenn sie solchen „menschlichen Schrott“ vertreiben oder angreifen, ist doch genau das Gegenteil wichtig: Jeden Menschen wie einen Menschen zu behandeln.

Und den Arschlöchern sagen: Nein, ihr tut mir keinen Gefallen. Ich will auf gar keinen Fall in einer Gesellschaft leben, die so mit Schwächeren umgeht. Oder die das toleriert oder begünstigt.

 

Dominik-Porträt

DOMINIK BLOH, JAHRGANG 1988. SEIT ELF JAHREN LEBT ER IMMER WIEDER AUF DEN STRASSEN VON HAMBURG. IM ANKERHERZ BLOG „ANKERSCHMERZ“ ERZÄHLT ER AUS SEINEM LEBEN. UNTERSTÜTZT WIRD DOMINIK VON DER STIFTUNG “DEKEYSER & FRIENDS”, DIE WELTWEIT EIGENE UND BEREITS BESTEHENDE PROJEKTE FINANZIELL, MIT IDEEN UND TATKRAFT UNTERSTÜTZT UND INITIIERT.

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