ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: große, kleine Momente

Montag war ein schlechter Tag für mich. Meine Depressionen plagen mich, die Hitze drückt. Verschwitzt sitze ich in der Bahn. Neben mir sitzt eine Frau. Sie schaut immer wieder rüber, zögert, dann spricht sie mich an.

„Bist du Dominik?“

Am liebsten möchte ich jetzt gerade nicht reden. Mir geht es mies.

„Nein, Sie müssen mich mit jemandem verwechseln.“

Sie hakt nach: „Du bist doch Dominik Bloh, der das Buch geschrieben hat?“ Zweimal will ich nicht lügen.

„Ja.“

Meine Geschichte macht anderen Menschen Mut

Sie erzählt mir, dass sie mein Buch gelesen und daraus viele Denkanstöße bekommen hat. Sie ist Lehrerin; auf die Schule, an der sie arbeitet, gehen viele Jugendliche mit Problemen. Einigen von ihnen will sie zum Abschluss mein Buch schenken, heute hat sie es sieben mal bestellt. Sie bedankt sich bei mir. Wir unterhalten uns über ihre Arbeit und die Probleme der Jugendlichen. Vieles kommt mir bekannt vor.

Unter Palmen aus Stahl, das Buch von Dominik.

 

Als ich an der Reeperbahn aussteige, merke ich, dass es mir viel besser geht. Was ich aufgeschrieben habe über mein Leben, macht anderen Menschen Mut. Ein schönes Gefühl. Meine ganze Haltung wird anders.

Ich erinnere mich an eine Begebenheit vor ziemlich genau einem Jahr. Ich hatte einen ziemlich miesen Tag, viele Dinge waren schief gelaufen. Ich weine selten, aber an diesem Tag liefen Tränen. Ich saß mit einer Freundin auf einer Bank am Hafen. Sie versuchte mich zu trösten. Wir nahmen uns in die Arme. Eine Frau kam auf uns zu.

„Entschuldigung. Ich habe gesehen, dass Sie ganz traurig sind. Ich möchte Ihnen diese Blume schenken.“

Sie reichte mir eine Rose. Die wäre eigentlich für Ihre Mutter gewesen, die im Krankenhaus lag. Jetzt mochte sie die Blume lieber mir geben. Ziemlich sprachlos nahm ich die Blume an. Ich weiß nicht mal, ob ich die Rose zu Hause ins Wasser gestellt habe, doch der Moment begleitet mich seitdem. Was für eine Geste. Wie wichtig sind große kleine Momente.

Kleine Momente sind so wichtig

Jetzt erst wird mir bewusst, wie viel mir dieses Geschenk bedeutet hat. Wir alle tragen unsere Sorgen mit uns herum. Wir leben meist in unserem Kopf. Wir sind aber nicht unsere Gedanken, wir sind die Summe unserer Entscheidungen. Es gibt vermeintlich große Entscheidungen und andere, die auf den ersten Blick klein aussehen. „Klein“ wie ein freundliches Wort oder eine liebevolle Geste. Ich habe für mich beschlossen, dass ich Gutes in mein Leben lassen und Liebe in die Welt tragen will.

Das ist nicht einfach. Ich vergesse manchmal, dass schon kleine Gesten Großes bewirken können. Diese Begegnungen helfen mir, mich daran immer wieder zu erinnern.

 

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Gerade erschien sein Buch darüber: „Unter Palmen aus Stahl“, überall im Handel und versandkostenfrei hier im Shop.

 

 

 

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