ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: im Himmel

Als ich im Flughafen saß, dachte ich darüber nach, wie mein Leben zwei Jahre zuvor aussah. „Von der Straße in den Himmel“, das dachte ich. Vor zwei Jahren lebte ich noch im Winternotprogramm der Stadt Hamburg. Nun wartete ich auf das Flugzeug der Lufthansa. Das „Mittagsmagazin“ des ZDF hatte mich eingeladen, damit ich meine Geschichte erzähle. Es war mein erster Flug nach mehr als zwanzig Jahren. Der erste Flug seit meiner Kindheit. Damals war ich nach Kreta geflogen. Nun ging es nach Frankfurt.

Ich habe den Flug genossen. Vor ein paar Jahren hätte ich wohl um die Zeit in Mülleimern nach Pfandflaschen gesucht oder von Tablettes übriggebliebene Reste weggeschnappt um das Loch im Bauch zu stopfen. Ein Wagen holte uns ab und fuhr uns in den Sender. Ich war schon ein wenig aufgeregt, denn es war das erste Mal, dass ich einem solch großen Publikum aus meinem Leben erzählen konnte. Die Diskussion um Waffen in den USA, Krieg in Syrien, viele traurige Themen, dann war ich dran. Als das Interview startete, war ich ganz ruhig.

Straßengeschichten im ZDF

Ich habe während des Tages immer wieder an meine Großeltern gedacht. Mit ihnen saß ich auf dem Sofa, wir haben damals ARD und ZDF geguckt. In meiner Kindheit war das Fernsehen noch anders, da gab es nur ein paar Sender. Ich rieche noch das Leder ihres Sessels und sehe sie da sitzen. Meine Ur-Oma, die noch bei uns gelebt hat, kam zur „Tagesschau“ mit Abendkleid und Perlenkette vor den Fernseher. Wenn der Moderator „Guten Abend“ wünschte, wünschte sie dasselbe zurück. Um ehrlich zu sein: Ich fand’s immer nur langweilig. Als Kind haben mir nur die Mainzelmännchen und die Sendung „1,2 oder3“ richtig gut gefallen.

Meine Straßengeschichten sollen Mut machen

Meine Großeltern hätten mich heute wahrscheinlich im Fernsehen gesehen und wären sehr stolz gewesen. Ich habe das auch im Fernsehen gesagt: Meine Oma hat immer an mich geglaubt. Dank ihr und meinem Opa bin ich der Mensch geworden, der jetzt das Richtige tun kann. Egal wo ihr sein mögt, ihr seid in meinem Herzen und ich werde Euch nie vergessen.

Wir haben im Interview (HIER könnt Ihr es ansehen) über Gewalt und Hunger geredet, über die Kälte, die aktuell ein großes Problem für Obdachlose ist. Die letzte Frage der Moderatorin war, warum ich „Unter Palmen aus Stahl“ geschrieben habe. Ich möchte anderen Menschen, denen es nicht so gut geht, Mut machen. Sie können es schaffen, so wie ich es geschafft habe. Ich erzählte von einem Jungen, der in einer ähnlichen Situation steckt, in der ich war. Er lernt mit meinem Buch lesen. Nach der Sendung schreiben mir viele Menschen auf Facebook. Ich freue mich.

Wir fliegen zurück nach Hause. Es ist verrückt, dass ich vom Hamburger Flughafen länger nach Hause brauche, als es dauert, von Frankfurt nach Hamburg zu fliegen. Daran muss ich mich noch gewöhnen.

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Gerade erschien sein Buch darüber: „Unter Palmen aus Stahl“, überall im Handel und hier im Onlineshop.

 

0 comments