ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Kleinigkeiten

Jeden Samstag schreibt Ankerherz-Autor Dominik Bloh eine Kolumne von den Straßen Hamburgs.  Die Straßengeschichten erscheinen in der Hamburger Morgenpost und natürlich auch hier im Ankerherz Blog. Diesmal geht um die große Bedeutung von Kleinigkeiten.

Es sind manchmal die kleinen Begebenheiten, die große Bedeutung haben. In dieser Woche, an einer Bushaltestelle: Ich rauche noch eine, während ich warte. Es ist knackig kalt in Hamburg. Ich bin in Gedanken. Gleich werde ich bei einer Veranstaltung wieder darüber reden, dass dieses Wetter für Menschen auf der Straße lebensgefährlich wird. Daraufhin werde ich gefragt werden, wie man den Menschen am besten helfen kann.

Auch ich habe auf manche Fragen keine Antwort. Was kann man am Besten tun? Ich versuche, das Richtige zu machen. Das gelingt genau so oft, wie es misslingt. Das Leben ist widersprüchlich, das birgt auch in mir Konflikte.

Straßengeschichten aus Hamburg

Während ich meinen Gedanken nachhänge, ist die Kippe bis zum Filter aufgeraucht.

Leider schnippe ich die meisten Kippen weg. Möglichst lässig die Stummel  zwischen Daumen und Zeigefinger in die Gegend zu schnipsen, das habe ich mit meinen ersten Zügen gelernt. Mit solchen Dingen habe ich versucht, Mädchen zu beeindrucken.

Heute will ich umweltfreundlich leben. Wieso fällt mir das so schwer? Ich mache die Erde schmutzig, weil ich es gewohnt bin, Sachen wegzuwerfen, ohne nachzudenken. Das passiert automatisch, wie mit den Kippen. Diese Schnipserei, was soll das eigentlich?

Dieses Mal mache ich es anders. Ich entscheide mich, die Zigarette auszudrücken und in den Mülleimer zu werfen. Fühlt sich gut und richtig an.

Kleine Gesten können große Wirkung haben

An der Bushaltestelle stehen ziemlich viele Menschen. Mir fällt etwas auf: Einige von ihnen blicken Momente, nachdem ich die Kippe ordentlich entsorgt habe, suchend auf den Boden. Sie nehmen den Dreck auf dem Gehsteig wahr. Da liegen zwei größere Verpackungen. Achtlos weggeworfener Müll. Ein Mann hebt beide Packungen auf und wirft sie in den Mülleimer.

Ich bin überzeugt, dass meine kleine Geste diese Reaktion ausgelöst hat. Wer etwas völlig bewusst macht, der wird andere dazu bewegen, sich auch mit ihrer Umwelt zu beschäftigen. Er wird Nachahmer finden, ganz automatisch. Mein Verhalten beeinflusst das Verhalten meiner Mitmenschen.

Wer etwas Gutes vormacht, findet Nachahmer

Das gilt auch für den Umgang mit Obdachlosen. Wer sich traut, auf andere zuzugehen, wer sich etwas Zeit nimmt, der hilft. Wer immer ein schönes Wort oder ein Lachen gibt. Das unmittelbare Umfeld nimmt das auf.  Nicht selten kommen andere dazu, wenn einer den ersten Schritt wagt. Viele berichten auch, dass sie sich an eine bestimmte Situation erinnern. Wenn jemand etwas vormachte, hat es sie zum Nachahmen animiert.

Also: Gehen wir mit gutem Beispiel voran!

 

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Sein Buch über sein Leben heißt: „Unter Palmen aus Stahl“,  und wurde ein SPIEGEL-Bestseller. Überall im Handel und im Ankerherz Shop.

 

0 comments