ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Meine kleine Wohnung

Vor genau zwei Jahren habe ich die Schlüssel zu meiner Wohnung bekommen. Eine eigene Wohnung zu haben, ist bis heute ein komisches Gefühl für mich. Ich stecke regelmäßig den falschen Schlüssel ins Schloss, wenn ich nach Hause komme. Am Klingelschild steht noch immer der Name meinesVormieters. Ich zucke immer noch zusammen, wenn es an der Tür klingelt.

Die Straße ist noch im Kopf.

Manchmal nehme ich die Post in die Hand und stecke sie zurück in den Briefkasten. Es ist ein Kampf. Früher träumte ich von riesigen Villen. Heute weiß ich, dass ich gar nicht viel brauche. Das Wichtigste ist ein Zuhause.

Eine Tür, die sich öffnet. Ein Lichtschalter, der funktioniert. Eine Heizung, die mich wärmt. Ich kenne es ganz anders und bin dankbar. Meine Wohnung: ein kleiner Flur, daneben das Bad. Es bedeutet: duschen, wann immer ich will. Purer Luxus!Ich sehe seit meiner Zeit auf der Straße ein Badezimmer mit anderen Augen.

Zuhause habe ich kein Internet

Im Wohnzimmer steht auch mein Bett. In Boxershorts zu schlafen ist das Schönste. Es gibt keinen Kleiderschrank in meiner Wohnung. Alle meine Sachen liegen in Taschen. Der Schlafsack ist im untersten Fach verstaut, immer griffbereit. Ich bin bereit, weiterzuziehen. Ich muss es nicht, das weiß ich. Doch es ist in meinem Kopf. Diese Rastlosigkeit spüre ich immer noch.

 

 

Eine der größten Herausforderungen am Ankommen in einer Wohnung ist es, langfristiguslich zu sein. Ich besitze kaum etwas, um mich einzurichten. Immerhin: das weiße Regal mit sechs Fächern füllt sich allmählich. Vor allem mit Büchern. Ich habe daheim kein Internet. Ich verbringe meine Abende mit lesen und versuche, so Ruhe zu finden.

Meine eigene kleine Wohnung

Ein Blick in die Küche reicht aus, um zu erkennen, dass ich mich damit weiterhin schwer. Ich halte mich nicht gerne in der Küche auf. Es sieht mehr nach Abstellkammer aus: Blaue Säcke, Putzsachen, Staubsauger. Die Schränke sind leer. Ich habe wenig Geschirr. Teller, ein Glas, Messer, Löffel und Gabel, das ist alles. Der Stecker vom Kühlschrank liegt weiter auf dem Boden. Irgendetwas hält mich davon ab, ihn endlich an den Strom anzuschließen.

Die Straße ist noch immer in meinem Kopf. Die Wurzeln für meine Ablehnung gegen eine Küche liegen weit zurück. In meiner Kindheit. Raus aus der Küche und Tür zu.

Das Schönste an meiner Wohnung ist ein großes Fenster im Wohnzimmer. Ich sehe auf einen Baum. Auf der Straße habe ich durch die Äste in die Fenster geschaut, hinein in die beleuchteten Zimmer. Das Gefühl von Wärme habe ich vermisst. Jetzt bin ich hier drinnen. Ich sehe nach draußen auf den Baum, schaue durch die Äste den Mond und denke: was für ein Seitenwechsel.

 

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Vor kurzem erschien sein Buch „Unter Palmen aus Stahl“, überall im Handel und versandkostenfrei hier auf der Seite zu haben.

 

 

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