ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten. Mobbing

Ich erinnere mich an dich. Sie war wunderschön. Wir sind in eine Klasse gegangen. Ich war mal bei ihr Zuhause. Sie hat geweint und ich habe sie in den Arm genommen. Wir waren noch fast Kinder, nur sie nicht mehr so. Sie wurde abhängig. Sie hat alles gemacht, um an Drogen zu kommen. Bald stand sie auf dem Strich. Sie durfte kein Kind mehr sein.

Wir gingen auf eine große Schule. Der „Buschfunk“ hat auf dem Pausenhof immer funktioniert. Sie war oft das Thema. Auf jedem Klo konnte man lesen, was man von ihr hielt. Es stand mit Edding geschrieben an der Wand. Sie hatte wohl keine Kraft mehr von alleine aufzustehen, also hat sie den einzigen Weg gewählt, den sich noch gesehen hat. Noch tiefer nach unten. Sie ist von dem Haus, in dem sie groß geworden ist, gesprungen.

Mobbing schon in der Schule

Ich denke an ihn. Den Jungen, der von allen ausgelacht wurde. Er war weder cool, noch sah er gut aus.
Es beginnt wirklich schon früh, dieses: Stärkere suchen sich vermeintlich Schwächere. Er wurde verprügelt, in die Hecke gestoßen und im Schulschrank eingesperrt. Wie viele haben das gemacht? Zwei bis drei haben Hand angelegt.

 

Dominik Bloh, Autor von Ankerherz. Foto: Axel Martens

 

Ein Pulk stand drumherum, hat mitgelacht, obwohl das vielen bestimmt ein unwohles Gefühl gegeben hat. Das stachelt die wenige wieder so an, dass sie immer weitermachen. Der Rest hält sich ganz raus oder berichtet dem Lehrer. Das kommt mir heute noch sehr bekannt vor. Er war der Loser, der ausgelacht worden ist. Erst fing er an sich zu ritzen, manchmal mit der Schere oder dem Bleistift aus seiner Federtasche. Ein paar Jahre später hat er sich auf die Gleise gelegt.

Mobbing führt in den Tod

Ich habe nach Selbstmordmethoden gegooglet. Springen oder Tabletten. Ich bin in verschiedenen Suizidforen gelandet. Selbst da stehen die schlimmsten Kommentare. Ich habe mich gefragt, wie böse Menschen sein können.

Ich weiß nichts über Daniel Küblböck. Ebenso wenig, was wirklich passiert ist an Bord dieses Kreuzfahrtschiffes vor Kanada. Ein Mensch ist gestorben und das ist traurig. Ich habe die Nachricht gelesen und darunter werden immer noch Witze gemacht. Manche versuchen das sogar zu überbieten um mehr Likes zu kriegen. Es wird zum Trend andere zu beleidigen. Depressionen, Mobbing, tolerierte Quälerei führt Menschen in den Tod. Das Internet ist kein anstandsfreier Raum. Auch hier hat jeder Mensch seine Würde.

 

Unter Palmen aus Stahl, das Buch von Dominik.

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Sein Buch: „Unter Palmen aus Stahl“, ist ein SPIEGEL-Bestseller. Es gibt es überall im Handel und hier im Online Shop.

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