ANKERSCHMERZ, Straßengeschichten: Weihnachten ohne mich
Die Weihnachtszeit ist keine schöne für die Menschen, die auf den Straßen leben. Wie sie denken und fühlen, beschreibt Ankerherz-Autor Dominik Bloh in diesem Blogbeitrag. Dominik lebte selbst zehn Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg.
Die Lichterketten sind für mich das Schönste an der Weihnachtszeit. Draußen auf der Straße habe ich im Winter durch die kahlen Äste in die Fenster der Häuser geschaut. Das Licht in den Zimmern schien so gemütlich und geborgen. Die Weihnachtslichter geben mir ein ähnliches Gefühl.
Mir fällt es schwer, über Weihnachten zu schreiben. Ich habe noch nie Weihnachten gefeiert. Meine Mutter war bei den Zeugen Jehovas, für die das Fest nichts bedeutet. Dass ich damit zu den Ausnahmen gehörte, bemerkte ich an der Grundschule. Wir wurden von der Lehrerin gefragt: Wie waren die Feiertage? Welche Geschenke es gab? Ich habe mir etwas ausgedacht und viel nachgeplappert, was die anderen sagten. Mir war es peinlich und ich wollte nicht zugeben, dass wir aus Glaubensgründen nicht feiern.
Weihnachten ohne mich
Meine Mutter verließ die Zeugen Jehovas. Geändert hat sich trotzdem nichts. Weihnachten war ein Tag wie jeder andere auch.
Gleichzeitig waren die Weihnachtsferien die beste Zeit überhaupt für mich. Ich fuhr dann in den Süden, um meine Großeltern zu besuchen. Mein Opa hat mein Lieblingsessen gekocht und meine Oma Rote Grütze zum Nachtisch. Zuhause gab es vor allem Nudeln mit Ketchup oder Ravioli. Bei Oma und Opa gab es immer das Leckerste und so viel, dass ich hätte platzen können.
Wir haben viel zusammen unternommen. Wir sind einfach lange spazieren gegangen oder waren Schlittschuh laufen. Wir waren Schwimmen im Nautilla, ich werde es nie vergessen. Oder wir sind in Ulm durch die Stadt gebummelt. Ich bin mit meinem Opa auf dem Schlitten die Hügel hinunter gesaust oder wir fuhren in die Berge, eingepackt in einem dicken Schneeanzug. Wir hatten so viel Spaß. Die Zeit mit meinen Großeltern war das schönste Geschenk.
Weihnachten auf der Straße
Irgendwann waren meine Großeltern nicht mehr da. Im betreuten Wohnen wurde genau so wenig Weihnachten gefeiert wie damals Zuhause.
Auf der Straße war Weihnachten nicht einmal in meinem Kopf. Ich war mit anderen Sachen beschäftigt. Ich sehe die Menschen in der “ruhigen” Jahreszeit hektisch und vollgepackt mit Tüten durch die Gegend laufen. Im Weihnachtsstress scheint die Besinnlichkeit oft unterzugehen. Keine Zeit für andere! Ich muss mich beeilen! Menschlichkeit kommt nicht so schnell hinterher und bleibt oft auf der Strecke.
Dabei geht es doch um Nächstenliebe. Das Wichtigste, was man schenken kann, ist umsonst. Teilen wir mit anderen Menschen ein wenig unserer Zeit. Ein Gespräch und ein freundliches Lächeln kosten nichts. Ich wünsche Euch schöne Feiertage und frohe Weihnachten!
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