ANKERSCHMERZ: Die Würde und die Rettung der Alan Kurdi
Jeden Samstag schreibt Ankerherz-Autor Dominik eine Kolumne, die in der Hamburger Morgenpost erscheint. „Auf den Straßen von Hamburg“ wirft einen anderen Blick auf die Stadt oder auf gesellschaftliche Themen. Dominik lebte elf Jahre lang immer wieder auf der Straße. Diesmal geht es um die Rettungsmission des kleinen Schiffes „Alan Kurdi“ auf dem Mittelmeer. Die Lage spitzt sich dramatisch zu.
Ich habe diese Woche ein Interview zum Thema Grundgesetz und „die unantastbare Würde des Menschen“ gegeben. Ich sollte erzählen, was sie für mich bedeutet. Eine interessante Frage, wenn man sich die aktuellen Nachrichten durchliest. Ein kleines Schiff der deutschen NGO „Sea Eye“ ist mit einem Hamburger Kapitän auf dem Mittelmeer unterwegs, mit 62 geretteten Kindern, Frauen und Männern an Bord. Während ich diese Kolumne schreibe, muss ein Crewmitglied von Bord evakuiert werden. Der Maschinist ist nach 24 Tagen auf See zu geschwächt.
Wie fühlt es sich wohl für diese Menschen an, im Mittelmeer ziellos durch die Gegend zu fahren, nachdem sie fast ersoffen sind? Die italienischen und maltesischen Behörden verweigern dem Schiff die Einreise. Im Sommer machen wir an den Stränden des Mittelmeers Urlaub und gehen in einem Meer baden, in den zig tausende ertrinken. Fühlt sich das richtig an?
Die Mission der Alan Kurdi
Da ist dieses kleine Schiff, die Alan Kurdi. Die Crew meldet Wasser- und Lebensmittelknappheit. Die Menschen schlafen auf Deck. Unter Deck ist eigentlich für 20 Menschen Platz. Jetzt halten sich dort bei schlechtem Wetter 81 Menschen auf. Leider lese ich immer wieder in die Kommentarspalten im Facebook, wenn ich mich über den aktuellen Stand informiere. „Die sollen in Afrika bleiben“, die Crew soll als „Schlepper angeklagt werden“ lese ich. Manche wollen aus Rettern, die so viel riskieren für die Leben anderer, tatsächlich Straftäter machen.
Diese Menschen setzen sich für die unantastbare Würde der Menschen ein. Und ich sitze vor Kameras und werde gefragt, was ich vom Grundgesetz und der Würde des Menschen halte? Es sollte mehr als ein Gesetz sein, das denke ich, viel mehr noch eine Einstellung wie ich meinen Mitmenschen begegne. Es ist ein Satz. Es gilt, ihn zu Leben. Menschen müssen ihr Zusammensein immer auf ihren Gemeinsamkeiten und menschlichen Werten aufbauen. Sonst zerstören wir uns selbst.
Die Trolle im Internet
So wie sich die ganzen Trolle und Hasser im Internet selbst zerstören. Es ist einfach wichtig, nicht Teil davon zu werden. Ich werde wieder aufhören, mir diese Kommentare durchzulesen.
Ich habe diese eine Sache auf der Straße gelernt. Wir sind alle gleich. Damals lag ich in der Nacht am Hafen. Der Himmel war schwarz und ich konnte meinen eisigen Atem aufsteigen sehen. Ich habe ihm nachgeschaut. Soweit ich konnte und dann weiter nach oben. Ich habe etwas erkannt: die große Weite. Wir leben in einem sich unendlich expandierenden Universum. Meine Heimat ist die Erde ist. Dieser winzig kleine Planet.
Genau so winzig wie wir Menschen, die alles so groß machen. Ich habe erkannt, nur einer Spezies anzugehören, dem Menschen. Mehr als sieben Milliarden von uns leben auf der Erde. Das ist so wenig, verglichen mit den Sternen. Wir denken, wir sind so groß, dabei sind wir winzig.
Wir denken, wir sind verschieden, wir sind aber alle gleich. Darum bedeutet Würde auch Freiheit.
Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Er hat ein Buch darüber geschrieben. „Unter Palmen aus Stahl“ wurde ein SPEIEGEL-Bestseller. Überall im Handel und hier im Online Buchladen von Ankerherz bestellen!
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