Die Seenotretter mit dem Luftkissenboot

Auf dem Weg runter zum Strand kommen wir an der Station der Seenotretter vorbei. Die Tore sind verschlossen, wie schade, doch ein Mann kommt vom Strand. „Wollt Ihr mal einen Blick rein werfen?“, fragt Andy, Boathouse Manager der RNLI Station Old Hunstanton.

Seit 1824 gibt es eine Station im alten Dorf, gegründet von der Norfolk Shipwreck Association. Die Gewässer vor diesem Abschnitt der Küste von Norfolk an der Ostküste Englands sind gefürchtet. Viele Untiefen, zahlreiche Sandbänke, und besonders Wanderer unterschätzen immer wieder die Gefahren am weiten Strand. Deshalb gibt es im Boathouse der Station zwei Besonderheiten.

Die erste ist ein Luftkissenboot, der „Hunstanton Flyer“. Nur vier solcher Boote gibt es überhaupt auf den Britischen Inseln. „Für uns ist der Flyer enorm wichtig“, erklärt Andy. „Wir schaffen es damit auch ins flachste Wasser, wo kein normales Boot hinkommt.“ Erst vor kurzem retteten sie wieder drei Wanderer, die sich zu weit hinaus gewagt hatten und von der Flut überrascht worden waren.

Die Retter mit dem Luftkissenboot

Spaziergänger geraten in Untiefen, versinken im Treibsand oder werden müde vom matschigen Untergrund. Mehr als 45 Einsätze, berichtet Andy, waren es im vergangenen Jahr. Wie groß die Tradition der Station ist, erkennt man an den Wänden der Station. Es ist eine wundervolle Idee, dass man in den Hallen der britischen Seenotretter die wichtigsten Einsätze in weißer Schrift auf Schwarze Tafeln schreibt: Datum, Name des Schiffes, Art der Rettung. Am 20. November 1884 zum Beispiel rettete man die Besatzung der Bark „Alabama“ aus dem schwedischen Helsingborg, 12 Männer.

 

Jede Zeile auf diesen Tafel erzählt von Mut, Hingabe und Einsatz für Menschen in Not.

„1993 hören die Berichte auf den Tafeln auf. Da kam das Internet. Die Berichte gehen seitdem direkt in den Computer“, erzählt Andy, er zuckt mit den Schultern. Dass ihm das nicht besonders gefällt, muss er nicht extra erklären.

Mit dem Traktor in die Wellen

Andy zeigt uns die zweite Besonderheit der Station. Einen Traktor, der das schnelle Motorboot „Spirit of Norfolk“ ins Wasser schiebt. Und zwar so tief, dass es bis über den Fahrerstand in den Wellen stehen kann. „Wir haben das zweitschnellste Boot der ganzen Flotte“, berichtet Andy, doch mit einigem Stolz in seiner Stimme.

 

Er führt uns nach hinten, in den Bereich, der Besuchern ansonsten verschlossen bleibt. Hier bereiten sich die Seenotretter auf ihre Einsätze vor. An einer Stange der Umkleidekabine hängen die wärmenden Overalls, daneben die Neoprenanzüge. Der Vormann trägt einen Union Jack und Pik Ass mit einem Jolly Roger, der aus einem Fanshop des FC Sankt Pauli stammen könnte. Auf einem Regal lagern die Helme, ausgerüstet mit Funkeinheit. „Kostet alles viel Geld“, sagt Andy.

Mit dem Luftkissenboot über Treibsand

Wie auch in Deutschland, so finanzieren sich auch die britischen Seenotretter durch Spenden. 238 Stationen gibt es entlang der Küsten, mehr als 40.000 Retter sind im Einsatz. Freiwillige Retter, Männer wie Andy, der nun den Schuppen hinter sich abschließt.

„Have a nice Day“, ruft er hinter uns her, als wir Richtung Strand spazieren.

Mayday, der Buch der Seenotretter. Am Strand an der Nordsee.

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