Die Weiße Bö und der Untergang des Schulfschiffs Niobe

Ihre Existenz wurde lange für Seemannsgarn gehalten. Doch eine Weiße Bö ist eine reale Gefahr, besonders für Segelschiffe. Am 26. Juli 1932 traf eine Weiße Bö das Segelschulschiff Niobe vor der Insel Fehmarn. 69 Seeleute verloren in der Ostsee das Leben. Eine neue Folge von Ankerherz History.

Der 26. Juli 1932 ist ein schwüler Sommertag, auch draußen auf der Ostsee vor der Insel Fehmarn. An Bord der „Niobe“, einem Segelschulschiff der Reichsmarine, schwitzen die Crewmitglieder. 109 Seeleute sind am Bord. Nach der Mittagspause beginn im Klassenraum der Navigationsunterricht für die Backbordwache.

Die Hitze ist kaum zu ertragen. Jemand spricht beim Kapitän vor, der es erlaubt, alle Oberlichter, die Schotten der Niedergänge und die Bullaugen zu öffnen. Ein Windzug geht nun durch das Schiff. Die Seeleute atmen auf.

Doch dieses Lüften wird ein tödlicher Fehler sein.

Eine große Gewitterfront zieht auf. Kapitänleutnant Heinrich Ruhfus lässt zwar einige Obersegel einholen. Die „Niobe“ machte weiter gute Fahrt. Sie liegt weit nach Backbord über, doch soweit ist alles normal. Auch das Barometer zeigt nichts, was die Schiffsführung beunruhigt. Es beginnt zu regnen. Die Seeleute bereiten das Ölzeug vor.

Eine weiße Bö fährt in die Takelage

Dann plötzlich: Eine Weiße Bö fährt in die Takelage! Masten und Rahsegel werden in die Ostsee gedrückt. Das Wasser strömt in die weit geöffneten Luken und fließt die Niedergänge hinab. Für die Kadetten wird ihr Klassenraum nun zur tödlichen Falle. Das eindringende Wasser verhindert ihre Flucht. Ein Mann bleibt beim Fluchtversuch im Bullauge stecken.

Eine Weiße Bö (im Englischen: White Squall), ist eine extrem starke Fallbö, die ein Schiff ohne Vorwarnung trifft. Manchmal wird sie von Nebel, manchmal von Sturzregen begleitet, lange Zeit aber hat man sie als Seemannsgarn abgetan. Sie ist kaum zu erkennen, außer an einer schnell aufsteigenden, weißen Wolke.

Was ist die Ursache für eine Weiße Bö? Fachleute gehen von starken Veränderungen, von Luftdruck-Einbrüchen in Wolkenschichten der oberen Atmosphäre aus. Diese löse eine stoßartige „Luftlawine“ aus, die Orkanstärke erreichen kann, und dies sehr schnell: Nach wenigen Sekunden bis maximal zehn Minuten ist alles vorbei. Besonders gefährlich ist dieses Phänomen für Segelschiffe. Wird der Kurs nicht geändert und Segelfläche weggenommen, gerät ein Segelschiff in höchste Gefahr.

Die Niobe sinkt

Wie das Segelschulschiff „Niobe“, das rasch sinkt, mit dem Achterdeck voran. In nur vier Minuten verschwindet sie in den Wellen, auf 54° 35′ 42″ N, 11° 11′ 12″ O. Etwa 60 Seeleute schwimmen ohne Rettungswesten um ihr Leben. 40 werden von Booten eines Feuerschiffs und eines Dampfers gerettet. 69 Menschen sterben, darunter fast zwei Drittel der Seeoffiziersschüler. Der Kommandant überlebt.

Ihm werden in vor einem Kriegsgericht im November 1932 unzureichende Sicherheitsmaßnahmen vorgeworfen. Vorher hat man das Wrack geborgen, nach Kiel geschleppt und untersucht. Das Verfahren endet mit einem Freispruch: Kapitän Ruhfus habe die Weiße Bö nicht voraussehen können. Fahrlässigkeit sei nicht zu belegen.

19 Seeleute bleiben auf See

Ein Urteil, das später kritisiert wird. Bei schlechtem Wetter wie einer Gewitterfront soll auf See eigentlich „Verschlusszustand“ herrschen, was bedeutet, dass Bullaugen, Lüftungsschächte und Niedergänge und Oberlichter geschlossen sein sollten. Auch sind Rettungswesten anzulegen und Boote sollten vorbereitet sein. Dass die Schiffsführung keine Öffnungen schließen ließ und auch nicht Segel wegnahm, verstehen Seefahrtsexperten nicht.

Insgesamt 50 Toten des Untergangs können geborgen werden. Sie setzte man auf dem Nordfriedhof in Kiel bei oder überführte sie in ihre Heimatorte. 19 Seeleute blieben für immer auf See.

Diese Kapitäne haben wütende Stürme überstanden und den Einschlag einer Monsterwelle. Sie prügelten sich in Havanna, desertierten auf dem Mississippi und strandeten in Wales. Sie legten sich mit einem russischen Kriegsschiff an und hatten einen blinden Passagier an Bord. Einer ist ein Held, der für seine Überzeugung ins Gefängnis ging. Einer ist die jüngste Frau Deutschlands auf der Brücke. 

Die Geschichten unserem Buch Kapitäne sind wahr und abenteuerlich. Sie sind so vielfältig wie die See. Und sie werfen eine Frage auf: Was können wir von alten Kapitänen lernen? „Kapitäne“ sammelt die Erinnerungen von 20 Seeleuten. Sie spielen weit draußen auf dem Meer, in Häfen und in der Vergangenheit. Geschichten, die echt sind und wahr und viel mehr erzählen als nur über das Leben an Bord. Kapitäne gibt es ohne Versandkosten hier bei uns im Ankerherz Online Buchladen.

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