HAIFISCH BAR GESCHICHTEN: Die Freundschaft der Seeleute

Von der Freundschaft der Seeleute

 Aufgeschrieben von Stefan Kruecken, Ankerherz.

Noch nie saßen so viele Kapitäne am Tresen der Haifisch Bar wie in jener Nacht. Mehr als 20 alte Seeleute waren zusammengekommen, einige Jahre ist es her. Gert Schlufter, der Wirt des Hai, hatte „Orkanfahrt“ gelesen, den Bestseller mit ihren besten Geschichten von See, und sie zum Labskaus eingeladen. Das Astra floss zügig und aus der Musikbox sang Freddy Quinn in Dauerschleife.

Am Tresen hockte Kapitän Emil Feith und hielt sein Pilsglas fest. Feith ist einer von jener Sorte Kapitän, der jeden Satz mit mehr als drei Worten für Geschwätz hält, und wenn er besonders mürrisch schaut, nennt er den Ausdruck „Dienstgesicht“. Er findet, dass ein Kapitän keine Gefühle zeigen sollte, und nicht mal, als er den größten jemals gemessenen Orkan der Geschichte auf dem Nordatlantik überlebte, gönnte er sich eine Gefühlsregung.

 

Alte Kapitäne sind so

Mit einem Mal starrte er zur Tür, als sehe er eine Erscheinung, Hans Albers mit Brüsten oder etwas in der Art. Ein Mann mit blauer Jacke und weißem Bart kam herein, der aussah wie der zweitplatzierte beim Ernest-Hemingway-Doppelgängerwettbewerb.

„Mensch… das…. das… gibt´s doch nicht“, murmelte Feith.

Die Männer fielen sich in die Arme. Kapitän Günther Langowski, so hieß der andere Seemann, hatte vor Rührung feuchte Augen. In den nächsten Stunden konnte man beobachten, wie die beiden Passbildautomatenfotos von Kindern und Enkeln aus ihren Portemonnaies pulten und sich Geschichten erzählten. Vor knapp fünfzig Jahren waren sie Freunde gewesen und hatten sich zuletzt in der Haifisch Bar gesehen. Es muss der Legende nach eine furchtbare Prügelei mit der Besatzung eines englischen Fischtrawlers gegeben haben. Am Morgen danach war jeder an Bord eines anderen Schiffes gegangen – und sie hatten sich nie wieder gesehen. Warum blätterte keiner der beiden im Hamburger Telefonbuch und nahm Kontakt auf?

Sie haben meine Frage nicht beantwortet, sie taten so, als hätten sie sie nicht verstanden. Vielleicht gibt es auch gar nichts zu verstehen, denn alte Seeleute sind so. Draußen auf See, wenn es um nichts anderes als ums Überleben ging, wenn der Sturm wütete oder die Ladung verrutschte oder in manchen Häfen Verbrecher das Schiff bedrohten, hielten sie zusammen. Matrosen noch mehr als Kapitäne, von denen sich die alten als einsame Seewölfe sehen. „Als Kapitän darf man sich nicht mit der Mannschaft gemein machen, niemals“, sagte Wolfgang Scharrnbeck, eine Legende der Reederei Hapag-Lloyd.

Ich glaube nicht, dass sich die Kapitäne aus der Haifisch Bar nach jeder Nacht jemals wiedersahen. Alles war gesagt.

 

Ab sofort erzählen wir jeden Samstag eine Geschichte aus der Haifisch Bar. Haben Sie auch eine für uns? Melden Sie sich: haifischbar@ankerherz.de

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„Klare Kante“ im Hamburger Hafen.

 

 

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