KAPITÄN SCHWANDT: Johnny Cash und ich

Zum Todestag des großen Johnny Cash. Hier lest Ihr eine gekürzte Kolumne aus dem Buch KLARE KANTE von Kapitän Schwandt.

„Johnny Cash hat mich mein Leben lang begleitet. Zu jener Zeit, als er berühmt wurde, fuhr ich für die Hamburg-Chicago Linie. Jeder Seemann besaß in der Kammer eine „Philetta“, ein kleines Rundfunkgerät der Firma Phillips, das neben der Mittelwelle auch einen Kurz- und Langwellenempfänger hatte. Die ausziehbare Stabantenne reichte nicht für ausreichenden Empfang im Schiffsrumpf. Wir hängten also einen Draht aus dem Bulleye, das funktionierte.

Mir gefiel alles an Cash: Seine Musik, sein Rhythmus, seine Stimme, seine Melodien. Und besonders seine Texte. Das war nicht „Schalalalala, wir fassen uns an die Füße“, sondern das echte Leben. Einsatz für Außenseiter, für Schwache und Verstoßene, für die Menschen am Rande. Als es unpopulär war, sang er für Soldaten. Als niemand an sie dachte, an die Gefangenen in St. Quentin oder Folsom. Deshalb trug Cash, der „Man in Black“, immerzu ein schwarzes Hemd.

Johnny Cash, der „Man in Black“

In den frühen 1970er Jahren, als alle Welt – und auch die County-Stars – rumrannten, als sei man in einen großen Farbkasten gefallen, setzte er auch optisch einen Gegenpunkt. Solange es Kriege und so viele Ungerechtigkeiten gebe, werde er nicht bunt auftreten, verkündete er. Er verkörperte Haltung. Ein wirklich großer Mann.

 

In Erinnerung ist mir der „Folsom Prison Blues“, der damals viel gespielt wurde. Noch heute höre ich ihn gern, er war es auch, der mich inspiriert hat, in „Santa Fu“, dem berüchtigsten Gefängnis von Hamburg, eine Lesung für die Gefangenen zu machen.

Ich frage mich, was er heute wohl singen würde. Im Zeitalter von Syrien, der Flüchtlingskrise und einem Donald Trump. Seine Stimme fehlt, auch seine Wut. Mir sind die meisten Künstler, von Ausnahmen abgesehen, viel zu still.“

 

 

„Four strong winds that blow lonely, seven seas that run high,

All these things that won’t change, come what may.

Well our good times are all gone, and I’m bound for moving on.

I’ll look for you if I’m ever back this way.“

Johnny Cash. „Four strong winds.“

 

Jürgen Schwandt, Jahrgang 1936, wuchs in Sankt Georg auf. Er fuhr jahrzehntelang zur See und lebt heute in Hamburg. Seine hochgelobte Biographie „Sturmwarnung“ steht seit Monaten in den Bestseller-Listen. Klare Kante sammelt die besten Kolumnen wie den Besuch im Hochsicherheitsgefängnis Santa Fu.

 

0 comments