Lotsenschoner No.5 Elbe: Unfallbericht belastet Kapitän schwer
Die Kollision von Lotsenschoner No.5 Elbe mit einem Frachter erschütterte im Juni 2019 den Norden. Nur das beherzte Eingreifen einiger Feuerwehrleute und DLRG-Mitglieder, die zufällig zu einer Übung auf der Elbe waren und 28 Menschen von Bord retteten, verhinderte eine Katastrophe. Nun liegt der offizielle Bericht zur Ursache vor.
Wer ist verantwortlich für die Kollision und schließlich den Untergang von Lotsenschoner No.5 Elbe? Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Unfall auf Höhe Stadersand legt die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen (BSU) nun einen akribisch verfassten Bericht vor. Auf 233 Seiten, in denen jeder mögliche Aspekt durchleuchtet wird, kommen die Fachleute zu einem eindeutigen Urteil.
„Hauptursächlich für diesen Seeunfall sieht die BSU die Reaktion der Schiffsführung auf die Schäden an den Vorsegeln während der Wende. Die Schiffsführung kümmerte sich ausschließlich um die Segel und nicht mehr darum, die nun falsche Fahrwasserseite so schnell wie möglich zu verlassen, um dem Gegenverkehr auszuweichen“, heißt es wörtlich. Die Kritik ist am Kapitän ist scharf, denn das BSU attestiert „unzureichende Wachorganisation“ sowie mangelhaftes Situationsbewusstsein“.
Lotsenschoner No.5 Elbe reagierte nicht
Der Schiffsführer von Lotsenschoner No.5 Elbe, ein ehemaliger Kapitän und Lotse mit 50-jähriger Berufserfahrung, der zum Zeitpunkt des Unfalls 82 Jahre alt war, habe zudem das Funkgerät nicht angehabt. Auf diverse Funksprüche und Warnrufe vor dem Unglück reagierte er nicht. Kurz vor der Kollision mit der 141 Meter langen „Astrosprinter“ hatte es bereits eine gefährliche Situation mit dem einem anderen Frachter gegeben.
Leichte Kritik des BSU gibt es auch an der Schiffsführung des Frachters „Astrosprinter“. Dessen Crew habe versäumt, vor der Kollision eine Warnung durch das Typhon zu geben, wobei die Sichtverhältnisse aber gut waren und daher „zweifelhaft“ sei, ob sich das Verhalten an Bord Lotsenschoner No.5 Elbe grundsätzlich geändert habe.
Heiß diskutiert wurde seinerzeit ein Video, das seither in den Sozialen Medien kursiert. Es legte die Vermutung nahe, dass die Crew des Lotsenschoners beim Manöver Backbord und Steuerbord verwechselt haben könnte. Es ist zu hören, dass Mannschaftsmitglieder „hart backbord“ riefen, die Pinne aber in die falsche Richtung gelegt wurde.
Nur drei Kinder trugen Rettungswesten
Laut BSU-Gutachten fuhr der Schoner unter Segeln und hatte gerade eine Wende vollzogen, um nach Hamburg zurückzukehren. In diesem Moment gab es plötzlich Schäden an den Vorsegeln, aus denen einen bedrohliche Situation resultierte. Während die Crew damit beschäftigt war, die betroffenen Segel unter Kontrolle zu bekommen, versäumte es der Kapitän, sein Schiff aus dem falschen Fahrwasser heraus zu manövrieren.
Haarsträubend erscheint auch Punkt 4.5 des Unfallberichts, in dem es um die Rettungswesten geht. An Bord von Lotsenschoner No.5 Elbe befanden sich drei verschiedene Sorten von Rettungswesten, wobei den Fahrgästen aber nur die orangenen erklärt wurden. Als der Mast umkippte, blockierte er ausgerechnet die Kiste mit diesen Westen. „Bis zur Kollision trugen nur drei Kinder eine Weste, alle anderen Personen an Bord nicht“, heißt es im BSU-Bericht.
Mit anderen Worten: Dieses Unglück hätte noch viel schlimmer enden können…
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