„Mann über Bord“ – was passiert dann auf einem Kreuzfahrtschiff?

„Mann über Bord!“ hießt es auf einem Kreuzfahrtschiff der Reederei AIDA. Ein Crewmitglied wird verzweifelt im Ärmelkanal gesucht (Hier geht es zur aktuellen Meldung). Was aber passiert eigentlich in einem solchen Moment an Bord? Lest hier einen Auszug aus unserem Buch „Doc Kreuzfahrt“ – die Erinnerungen des alten Schiffsarztes Dr. Horst Schramm. Das Buch gibt es hier – und aktuell läuft eine große Rabattaktion* (siehe unten).

„Mann über Bord!“ Auszug aus dem Buch „Doc Kreuzfahrt“.

„In der kommenden Nacht schlafe ich unruhig, werde immer wieder geweckt durch die Schläge der Wellen gegen den Bug. Mein Telefon blinkt Rot, ich greife zum Hörer, der Kapitän ist dran:

„Doc, aufstehen, gleich gibt’s Alarm!“

Ich habe keine Zeit, zu fragen, was los ist. Ich höre es wenig später. „Bravo-Bravo“, das heißt „Mann über Bord“, mit dieser Durchsage weckt er nun, nachts um 2.00 Uhr, Jeden an Bord, es gibt keine Ausnahmen. Ich weiß, was nun folgt: Bei diesem Alarm sind besonders das Suchteam auf der Brücke und das Medical Team gefragt. Ich ziehe mich an und trete hinaus auf den Gang. Während die letzten Gäste aus Rick’s Bar Richtung ihrer Kabinen wanken, hasten der Bootsmann und das gesamte Deck Department an mir vorbei.

Alle Seitentüren auf Deck 3 werden geöffnet, und man lässt die Rettungsboote bemannt zu Wasser. In diesem Moment geht ein unbeschreiblicher Lärm durchs Schiff. „Nothalt!“ Alle Maschinen laufen bei voller Maschinenleistung rückwärts, Bug- und Heckstrahlruder heulen und drücken das Schiff in eine Schräglage nach Backbord. Das Schiff fährt, von oben betrachtet, eine Acht.

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Das Meer ist gespenstisch rot erleuchtet. Leuchtmunition und Signalraketen im Himmel. Wir haben beschlossen, den Geretteten, sofern wir ihn finden, an der Lotsenpforte neben dem Hospital an Bord zu nehmen. Tag. Ein Taucher und zwei Rettungsschwimmer sind bereit, die Ausrüstung des medizinischen Teams ist einsatzbereit.

Doch wir finden niemanden.

Was ist passiert? Der wachhabende Matrose hatte auf seinem Rundgang Frauenschuhe und einen angefangenen Brief unweit von Rick’s Bar gefunden. Ist jemand gesprungen? In der Dunkelheit der Nacht das Meer abzu suchen, ist nicht einfach, vor allem nicht bei diesem Seegang. Vor einigen Jahren erlebte ich einen ähnlichen Fall in der Deutschen Bucht. Eine Offiziersanwärterin war nachts aus ungeklärter Ursache von Bord des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ gefallen und unser Schiff beteiligte sich an der Suche, die ganze Nacht lang. Es war vergeblich.

Eine Stunde vergeht. Der Scheinwerfer huscht über die See, doch von der vermissten Frau keine Spur. Ist sie ertrunken?

Der Kapitän lässt alle Gäste mitten in der Nacht in die Queen’s Lounge rufen. Eine Entscheidung, die ihm unter den Passagieren bestimmt nicht viele Freunde macht. Er hält eine kurze, aber eindrucksvolle Rede, in der er den Ernst der Lage schildert. Es geht um das Leben eines Menschen, um nicht weniger, und er trägt in diesem Moment die Verantwortung. Als er endet, fragt er eindringlich:

„Also: Wem gehören diese Schuhe und der Brief?“ Er hält das Papierstück in die Höhe.

Eine Pause entsteht, man kann die Spannung spüren. Eine junge Frau erhebt sich, sie geht langsam nach vorne.

Ein Raunen im Raum, einige Passagiere buhen.

Die Nacht ist natürlich beendet, der neue Tag bricht am Horizont an, und die See leuchtet in tiefem Rot. Wir diskutierten noch einige Zeit und vermuten, dass die junge Frau springen wollte, sie aber der Mut verließ. Ich bin froh, dass es so ausgegangen ist. Als ich zum Frühstücksbuffet gehe, höre ich, wie ein „Vielfahrer“ der jungen Frau zuruft: „Am besten wäre es gewesen, Sie wären gesprungen!“

Die Menschenliebe endet für manche dort, wo die Nachtruhe in Gefahr ist. Zivilisation ist keine Frage des sozialen Status.

 

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