Mittsommer auf der Leuchtturminsel

Mittsommer auf der Leuchtturminsel. Dies ist die kleine Geschichte einer besonderen Reise. Wir waren mit Kapitän Schwandt auf den Aland-Inseln zwischen Schweden und Finnland. Auf einer Leuchtturminsel. Lest hier einen Auszug aus unserem neuen „Kleinen Buch vom Meer: Leuchttürme“.

Die Nacht war hell und weich wie ein schwedisches Kissen. „Silvana“ hieß die kleine Fähre, auf der wir durch dieses Labyrinth aus Inseln im Norden der Aland-Inseln tuckerten. Mit Ausnahme des Steuermanns hatte niemand mehr den Anflug einer Ahnung, wo genau wir uns befanden. An den Ufern sahen wir Kiefern und Birken, überall standen Birken und Kiefern, wir sahen rundgewaschene Felsen, ab und zu ein buntes Haus mit einem Steg, auf dem Leute hockten und Bier tranken. Es war ein großer Tag, es war Mittsommer.

Aland ist ein Archipel aus mehrenden tausend Inseln, ziemlich genau zwischen Schweden und Finnland in der Ostsee. Bevor das GPS erfunden wurde, muss es Seeleute in die Verzweiflung getrieben haben. Wir befanden uns auf dem Weg zur Leuchtturminsel Sälskär.

Mittsommer auf der Leuchtturminsel

Auf der hintersten Bank des kleinen Decks, hinter einer seltsamen Familie, die kein Wort miteinander sprach und neben einem Paar mit einem böse knurrenden Hund, saß Kapitän Jürgen Schwandt. Der Seemann aus Hamburg tat, was er immerzu tut: Er rauchte. Vor mehr als sechs Jahrzehnten, kurz nach dem Krieg, hatte er seine ersten Reisen als Matrose nach Finnland unternommen und war auch hier irgendwo gelandet. Damals hatte er auf kleinen Schiffen, die kaum seetüchtig und eine schwimmende Zumutung waren, Holz geholt für Kohleminen in England. Nun, viele Jahre später und am Abend seines Lebens, kehrte er mit uns wieder hierhin zurück.

Wir waren auf Reise, um an einem Buch zu arbeiten, „80 Sommer“ sollte es heißen. Ein Buch über die Erfahrung von 80 Jahren, also von „80 Sommern“, man könnte sagen: Ein Logbuch, das dabei helfen sollte, durch die Stürme des Alltags zu kommen und die Klippen des Lebens zu umschiffen. Inspiriert von tausenden Mails und Nachrichten, die nach dem Erfolg seiner Biographie „Sturmwarnung“ eintrafen, wollten wir nun „80 Sommer“ angehen. Wie immer, wenn wir arbeiteten, gingen wir auf See. Auf der Fähre der Trucker, auf der es nach großen Mahlzeiten mit Schweineohren und Kraut roch, waren wir zunächst von Travemünde nach Helsinki gereist und dann weiter über Turku bis Aland.

Die „Silvana“ bog um die nächste Insel, und dann kam der Leuchtturm in Sicht. Eine echte Schönheit, schlichte Eleganz, von der es sogar einen Bausatz aus Karton gibt, zum Basteln. Sälskär“ heißt die Insel, auf der er steht, abgeleitet von „Säl“, also Robbe. Mit der Jagd auf Robben, auf Vögel und dem Fischen kamen die drei Familien der Leuchtturmwärter damals über die Runden. Es muss ein hartes, ein wildes Leben gewesen sein für die Hüter des Turms, die hier seit 1868 siedelten. Damals gehörte das Gebiet zum russischen Zarenreich; Der Leuchtturm war gebaut worden, nachdem zu viele Schiffe auf Grund gelaufen waren. Schon die Anreise geriet für die Leuchtturmwärter in den Herbst- und Wintermonaten zum Abenteuer, denn bei stürmischem Wetter war es beinahe unmöglich, den winzigen Naturhafen anzusteuern.

Ein Leuchtturm am Ende der Welt

In dieser Sommernacht aber war die See so glatt wie die Oberfläche eines „Lapin Kulta“, wie das örtliche Bier heißt. Die kleine Fähre legte an und wir gingen über eine kurze Gangway auf die Insel. Die anderen Passagiere, auch die Leute mit dem schlecht gelaunten Hund, brachen Richtung Leuchtturm auf.

„Lass’ sie gehen“, brummte der Käpt´n.

Er zeigte auf einige große Steine, wir setzten uns drauf. Dann sprachen wir über das Leben und den Tod. Über echte Zufriedenheit und die Frage, wie man sie erlangt. Über den Wert von Familie, über falsche Freunde und echte Freunde. Der Kapitän steckte die nächste Marlboro an, erzählte aus seinem Leben und die Zeit verflog.

Aus unserem Buch, aus den „80 Sommern“ ist nicht geworden. Wenige Wochen nach unserer Heimkehr erkrankte Kapitän Schwandt schwer und musste sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Was mir bleibt von dieser Reise, das verstehe ich als ein Geschenk. Die Erinnerungen Mittsommer auf der Insel des Leuchtturms.

 

Das Kleine Buch vom Meer Leuchttürme gibt es überall im Handel und ohne Versandkosten hier bei uns im Ankerherz Buchladen. Viel Spaß!

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