Seemannsdiakon Sturm: gegen das Gift der AfD

Gegen das Gift der AfD. Jede Woche schreibt Seemannsdiakon Fiete Sturm, Leiter der Seemannsheims in Hamburg-Altona, eine Kolumne für den Ankerherz Blog. Dieses Mal geht es um einen jungen Syrer, der in den Bundestag möchte – und es prompt mit den Rechtsextremen der AfD zu tun bekommt.

Moin,

vor ein paar Tagen las ich, dass der 31 Jahre alte Syrer Tareq Alaows für den Bundestag kandidieren möchte. Er erzählt, dass er sich für eine offenere Politik engagieren will, welche die Sorgen und Nöte der in Deutschland lebenden Flüchtlinge mehr in den Fokus rückt.

Alaows, der vor gut fünf Jahren über die Balkanroute zu uns kam, lernte schnell Deutsch. Er setzte sich als Sozialarbeiter für eine Verbesserung der Lebensumstände von anderen Geflüchteten ein. Auch im Bündnis „Seebrücke“ ist er aktiv. Er sagt: „Die Leute, die bisher über die Migrations- und Flüchtlingspolitik entschieden haben, wissen nicht, wie man sich fühlt, wenn man fliehen muss. Ich will diese Perspektive in den Bundestag bringen. Das Ertrinken von Geflüchteten im Mittelmeer muss verhindert werden.“ Es soll dort in Zukunft nicht mehr heißen „Dem Deutschen Volke” – sondern „Für alle Menschen, die in Deutschland leben”.

Das Gift der AfD

Ich war neugierig. Interessiert stieß ich auf weitere Interviews. Schnell kam mir dabei auch ein Statement einer Abgeordneten der AfD unter. Vor Gift triefend ließ sie sich darüber aus, dass die Grünen mit Alaows Kandidatur eine „deutschlandfeindliche“ Agenda führten. Weitere Ausführungen aus diesen populistischen und durchschaubaren Entgleisungen erspare ich euch an dieser Stelle.

Jedenfalls war ich drauf und dran eine entsprechende Antwort zu formulieren. Diesen, Verzeihung, rassistischen Dreck unwidersprochen stehen zu lassen, das widersprach meinem Gerechtigkeits- und Anstandsgefühl.

Ein kurzes Durchatmen und einen Kaffee später nehme ich von diesem Vorhaben dann aber wieder Abstand. Ich will mich nicht an Menschen verausgaben, die ihre Meinungsbildung schon vorgefertigt und abgeschlossen haben. Ich will mich nicht auf dieses destruktive Spiel einlassen, zu dem mich diese „blaue“ Partei höhnisch grinsend herausfordert.

Die Geschichte von Ali und Mo

Stattdessen möchte ich euch kurz an meinen Erfahrungen mit syrischen Flüchtlingen teilhaben lassen. Ich will euch ein positives Beispiel geben, was Einwanderung für uns bedeuten kann. Gegen das Gift der AfD.

Bei uns in der Seemannsmission haben so z.B. Ali und Mo(hammed) mitgearbeitet. Zwei Syrer, die in Hamburg eine neue Heimat gefunden haben und immer mal wieder vorbeischauen. Beide habe ich als aufgeschlossene Menschen kennengelernt. Sie haben ein aktives Interesse daran, die deutsche Sprache zu lernen und allein für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können. Ich hatte hier immer den Eindruck, dass sie meine Heimat mit ihrer Gegenwart bereichern. Und dass sie es mir ermöglichen, ein wenig über meinen eigenen Tellerrand hinaus zu blicken.

Das Land der Gegensätze

Dies sind nur zwei Beispiele von so vielen. Vorher – 2015 und 2016 – habe ich mich in der Flüchtlingshilfe engagiert und dort noch weitere Menschen aus Syrien, Afghanistan und anderen Staaten kennenlernen dürfen. Ganz ehrlich gesagt habe ich das auch getan, um meine persönlichen Vorurteile anzugehen und mir ein eigenes Bild von diesen Menschen machen zu können.

Ich hörte Geschichten und sah Bilder vom Krieg und Grauen in ihrer Heimat. Davon, dass ihre Häuser von Fassbomben zerstört wurden und Verwandte in Foltergefängnissen verschwanden. Dann von der Flucht nach Europa, der Hoffnung auf ein besseres Leben und dem Zwiespalt, den sie hier vorfanden.

Offenheit vs Populismus

Auf der einen Seite freundliche und offene Menschen, die sich ihrer annahmen. Die vieles möglich machten und mit Herz und Hand halfen, wo sie konnten.  Auf der anderen Seite die deutsche Bürokratie und ein System, in dem sie sich konsequent missverstanden, verkannt und angefeindet fühlten.

In dem ihnen, als z.T. hoch gebildeten Menschen, die Anerkennung ihrer Abschlüsse erschwert wurde. Ein Land, in dem die Politik die Chance vertan hatte, sie als Neuankömmlinge zum Wohle aller angemessen zu fördern und zu integrieren. Und natürlich nicht zuletzt, die fremdenfeindlichen Übergriffe und eine systematische Entmenschlichung durch die Rechtspopulisten.

Für Offenheit und Menschlichkeit

Wer kennt nicht das Sprichwort: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“? Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit Offenheit, Menschlichkeit und etwas gesundem Idealismus mehr aufbauen können als mit Ausgrenzung und Abschottung.

Vor diesem Hintergrund finde ich, dass es nicht nur gut und richtig ist, wenn Menschen wie Tareq Alaows für den Bundestag kandidieren – sondern absolut notwendig.

Eine Gesellschaft im Wandel

Unsere deutsche Gesellschaft befindet sich stets im Wandel. Das war immer schon so und wird wohl auch so bleiben. Wir müssen uns den Herausforderungen und Änderungen unserer Zeit stellen und alle daran beteiligen. Deutsche, geflüchtete und zugewanderte Menschen gleichermaßen. Und das bedeutet natürlich auch, dass sich unsere vielfältige Gesellschaft in den Bundestagsmandaten spiegeln sollte. Nur so können wir es in meinen Augen schaffen als Nation weiterhin erfolgreich zu bestehen. Gemeinsam.

Das ist dann auch die nachhaltigere Erwiderung auf die unwürdigen Aussagen der Ewiggestrigen. Es einfach gemeinsam besser machen!

Aus dem Hamburger Hafen,

euer Fiete Sturm

0 comments