Seemannsdiakon Sturm: Wie ich Taiwan lieben lernte

Wie ich Taiwan lieben lernte. Jeden Donnerstag, dem Seemannssonntag, schreibt Fiete Sturm, Seemannsdiakon von Hamburg-Altona, eine Kolumne im Ankerherz Blog. Dieses Mal geht es um eine besondere Reise nach Asien.

Das schöne an der Arbeit als Seemannsdiakon ist für mich unter anderem, dass mit vielen Menschen aus aller Welt zu tun habe. Seeleute kommen heute meist von den Philippinen oder aus Osteuropa. Aber letztendlich ist hier eigentlich keine Region ausgenommen. Das macht die Kommunikation nicht immer einfach und kulturelle Missverständnisse gehören regelmäßig zur Arbeit dazu. Und trotzdem – oder gerade deswegen – bereichert es meine Tätigkeit auch.

Und genauso wie Seeleute von allen Kontinenten kommen, so kommen auch Menschen, die ihnen helfen, aus allen Regionen. Viele von diesen idealistischen und engagierten Kollegen haben sich mit ihren jeweiligen Organisationen unter dem Dach der International Christian Maritime Association (kurz ICMA) zusammen geschlossen. Um sich gegenseitig zu unterstützen, auszutauschen und in wichtigen Angelegenheiten mit einer Stimme sprechen zu können.

Zum ersten Mal in Asien

In losen Abständen treffen wir uns in dieser Gruppe zu einer Jahreskonferenz. Der Ort wechselt. Fand die Konferenz vor einiger Zeit noch in Hamburg statt, so trafen wir uns im Oktober in Kaohsiung, das ist in Taiwan. Für mich war es meine erste Reise nach Asien überhaupt. Und Taiwan, oder offiziell die Republik China (Taiwan), als Land und Insel hat es dabei geschafft, sich mit samt seinen Bewohnern in mein Herz zu schmuggeln. Und das war gar nicht einfach.

Das schwül-warme Klima traf mich, trotz Vorbereitung, ziemlich vor den Kopf. Vieles passte für mich einfach nicht zusammen. So hatte ich beispielsweise viel asiatische Fremdartigkeit und Exotik erwartet. Aber der Verkehr, Gesetze und Regeln und stellenweise sogar die Architektur erinnert mich paradoxerweise mehr an meine deutsche Heimat als an das, was ich in meinem Kopf unter einem fernöstlichen Land vermutet hätte.

Taiwan zwischen Tradition und Moderne

Bei ein paar Ausflügen während der Konferenz konnte ich dann mehr und mehr von der Stadt sehen und die Menschen kennenlernen. Im Anschluss nahm ich mir dann noch ein paar Tage, um auch Tainan und Taipeh zu erkunden. Zum Glück vermittelte mir eine Bekannte aus der Seemannsmission für diese letzten Tage noch den Kontakt zu Benedict. Einem jungen Taiwanesen, der mir seine Heimat zeigte und es mir möglich machte, vieles zur Geschichte und aktuellen, politischen Lage zu verstehen.

 

Nach ein paar weiteren Ausflügen und Nächten in einem winzigen, dunklen Hotelzimmer konnte ich mich immer mehr mit Taiwan anfreunden. Auch wenn es für mich irgendwie immer noch so gar nicht in die Region passt. Es ist eine Insel voller Tradition und einer langen Geschichte der Kolonialisierung. Die Insel ist zerrissen zwischen Unabhängigkeit und Zugehörigkeit zur Volksrepublik China. Ebenso wie zwischen Tradition und Moderne. Es gibt schwere Probleme für viele Fischer, die z.T. Jahre (!) weit weg von der Heimat auf ihren Schiffen unterwegs sind. Und nichts desto trotz hat sich hier eine wahnsinig spannende Kultur entwickelt, die so irgendwie gar nicht in eine Schublade passt.

Taiwan braucht Unterstützung

Es beschämt mich um so mehr, dass (bis auf den Vatikan) kein europäischer Staat Taiwan offiziell anerkennt. Man will es sich nicht mit China erscherzen. Dabei könnten wir als Staatengemeinschaft so viel lernen. Und z.B. gerade im Umgang mit dem Corona-Virus hat sich der Inselstaat als sehr kompetent und fortschrittlich erwiesen. Solltet ihr jemals die Chance haben dort hin zu kommen, kann ich euch nur empfehlen, ein paar Tage mehr Zeit zu nehmen und Land und vor allem die Leute kennenzulernen. Besucht einen der quirligen Nachtmärkte und fahrt mit dem (wahnsinnig pünktlichen) Zug. Ihr werdet es nicht bereuen!

Ich jedenfalls bin dankbar, durch meine Tätigkeit als Seemannsdiakon, die Möglichkeit gehabt zu haben. Und ich hoffe, dass mehr von uns diese sympathische Insel lieben lernen und sich für sie einsetzen werden. Gerade in Zeiten wo z.B. auch Hong-Kongs Demokratiebewegung zu leiden hat, sollten wir Taiwan nicht vergessen.

Aus dem Hamburger Hafen,

euer Fiete Sturm

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