Stefans Geschichten vom Meer: das Geisterschiff

Das Geisterschiff – so heißt die neue „Geschichte vom Meer“, die Ankerherz-Verlagsleiter Stefan Kruecken jeden Samstag in der Hamburger Morgenpost schreibt. Es geht nicht nur um den „Fliegenden Holländer“, sondern um ein modernes Geisterschiff, das mitten auf dem Atlantik entdeckt wurde.

Aberglaube gehört zur Seefahrt wie die Ebbe zur Flut. Seeungeheuer, böse Vorahnungen und Mythen machten an Bord der Schiffe immer die Runde. Zu einer der berühmtesten Sagen gehört der „Fliegende Holländer“, die Legende eines Kapitäns, der dazu verdammt ist, mit seinem Geisterschiff über die Weltmeer zu irren, ohne einen Hafen anlaufen zu dürfen. Richard Wagner widmete dem Motiv sogar eine Oper und Heinrich Heine schrieb darüber, wobei heute die Version aus dem „Fluch der Karibik“ mit Johnny Depp bekannter sein dürfte.

Das letzte deutsche Geisterschiff

Tatsächlich gab es in der Geschichte immer wieder Geisterschiffe, die nicht mit irgendwelchem Seemanngarn, sondern mit Skorbut oder der Pest zu tun hatten. Weil man in früheren Zeiten die Toten der See übergab, wurde es nach Epidemien einsam an Bord. Zu den berühmtesten Geisterschiffen der Neuzeit gehört die Baychimo, ein Frachtdampfer, der abgelegene Siedlungen in Alaska versorgte. Als das Schiff 1931 vom Packeis eingeschlossen wurde, gab es die frierende Crew auf. Die Baychimo aber bewies Comeback-Qualitäten und wurde angeblich sogar 38 Jahre später noch gesichtet.

Das letzte „Geisterschiff“ in deutschen Gewässern war ein norwegisches Kümo namens Gullstryk, das im Oktober 1974 auf einem Riff vor der Insel Juist strandete. Die Positionslampen brannten, doch keine Seele fand sich an Bord. Rätselhaft war an diesem Fall aber nur, wieso das Schiff so lange durch die Gegend trieb, ohne dass es den Behörden auffiel; die sechsköpfige Besatzung hatte die Gullystryk eine Woche zuvor während eines Sturms in Seenot verlassen.

Ein modernes Geisterschiff

Zu den traurigen Geisterschiffen im Jetzt gehören nordkoreanische Kutter, die mit skelettierten Leichen an den Küsten Japans antreiben. Weil Nordkorea seine küstennahe Gebiete an China verpachtet hat, müssen die Fischer immer weiter hinaus fahren, um etwas zu fangen. Wenn Treibstoff und Proviant ausgehen, sterben die Männer qualvoll an Erschöpfung oder Unterkühlung.

https://twitter.com/hmsprotector/status/1168617101336166400

Nun gibt es die Meldung eines neuen Geisterschiffs. Die HMS Protector , ein Patrouillenboot der britischen Royal Navy, entdeckte mitten auf dem Atlantik einen verlassenen Frachter. „Wir fuhren nahe heran und boten Hilfe an, doch niemand antwortete“, schreibt die Crew auf Twitter. „Wir haben noch nicht mehr Details zu diesem seltsamen Ereignis.“ Das Bild zeigt ein dunkles Schiff vor dramatischem Himmel.

Ziemlich unheimlich.

Nun wird spekuliert, dass es sich um die MV Alta handeln könnte, die im Oktober 2018 knapp 1400 Seemeilen südöstlich von Bermuda aufgegeben wurde. Ein Helikopter der amerikanischen Küstenwache hatte damals zehn Seeleute gerettet, die ohne Treibstoff und Proviant nach einem Maschinenschaden über das Meer trieben. Die Ausbeutung in Teilen der modernen Seefahrt macht Geisterschiffe wieder möglich.

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch heißt KAPITÄNE – hier im Online Buchladen könnt Ihr es aussehen!

 

 

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