Stefans Geschichten vom Meer: das sauberste Frachtschiff der Welt

Ein Frachtschiff, das nur mit der Kraft des Windes über die Ozeane segelt. Dessen Crew oft nicht genau weiß, welcher Hafen der nächste sein wird, weil vielleicht in Kolumbien noch eine Ladung Kaffee wartet. Ein Schiff, das unterwegs ist wie ein Windjammer im Jahre 1819, und dabei so ins Jahr 2019 passt wie kein anderes. Die „Avontuur“ ist das vielleicht sauberste Frachtschiff der Welt.

Nach einer Reise, die 17.200 Seemeilen weit und neun Monate lang über die Ozeane führte, ist das Frachtschiff nun nach Hamburg zurückgekommen. Am Bremer Kai nahe des Hafenmuseums wurden unter anderem Kaffee und Kakao aus Südamerika, Honig von den Azoren und Rum aus Guadeloupe ausgeladen. Nicht ein Tropfen Schweröl ist während der langen Reise verbrannt worden. Die „Avontuur“ ist ein Anachronismus mit zwei Masten, oder etwa nicht? Kaum ein Schiff fährt so klimaneutral.

Der Eigner ist ein Kapitän

„Ich wollte den Seetransport sauberer machen“, sagt Cornelius Bockermann, Jahrgang 1959, dem das Schiff und die kleine Reederei „Timbercoast“ gehören (rechts im Bild, neben dem Kapitän der „Avontuur“). Einst arbeitete der Kapitän für die Ölindustrie im Niger-Delta, organisierte als Flottenmanager Wasserfahrzeuge und betrieb eine Schlepp- und Bergungsreederei. Bis zu jenem Tag, als er das alles nicht mehr mitmachen wollte.

 

Er überlegte: Wie kann man Firmen und Verbraucher wachrütteln und eine nachhaltige Möglichkeit des Transports aufzeigen? Eigentlich sollte sein Projekt in Australien starten, als Liniendienst, „ganz gemütlich durch die Tropen“ (Bockermann). Doch weil das Budget nicht reichte und er den alten Gaffelschoner (Baujahr 1920) in den Niederlanden fand und in Elsfleth modernisieren ließ, kam es ganz anders: Nordatlantik statt Palmenstrand.

Frachtschiff unter Segeln

In der Biskaya geriet Deutschlands einziges Frachtschiff unter Segeln in einen ausgewachsenen Sturm mit sechs Meter hohen Wellen. Kein Problem aber für die erfahrene Crew aus acht Berufseeleuten, die mit Freiwilligen aufgestockt wird. Sie erleben echte Abenteuer zwischen der Karibik und Kanada. Wirtschaftlich ist das alles noch nicht, sagt Bockermann. In einer Zeit, in der schwimmende Müllverbrennungsanlagen mit 20.000 Stahlcontainern über die Meere rasen, ist ein 43 Meter kleines Segelschiff kaum wettbewerbsfähig.

Decksmann mit dem T-Shirt Seewolf von Ankerherz

Der Unternehmer Bockermann finanziert sein Abenteuer über den Handel. Wie einst die Kaufleute vertreibt er einen Teil seiner Ladung, etwa besonderen Kaffee oder Rum. Dem Kapitän kommt es auf die Botschaft an: „Ich will die Leute dazu bringen, über Konsum nachzudenken.“ Ein neues, größeres Schiff ist in Planung – und schon im September wirft die Avontuur wieder die Leinen los, Kurs Mittelamerika. Freiwillige werden noch gesucht! Hier könnt Ihr Euch melden.

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland.  

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