Stefans Geschichten vom Meer: das traurige Ende der Königslinie

Das traurige Ende der Königslinie. Ankerherz Verlagsleiter Stefan Kruecken schreibt Geschichten vom Meer, die in der Hamburger Morgenpost und in der Nordsee-Zeitung als Kolumnen erscheinen. In dieser Woche geht es um das Ende einer maritimen Tradition.

Ein Kapitel maritimer Geschichte ist in dieser Woche beendet worden, doch in Zeiten der Coronakrise, die alles überdeckt, nimmt davon kaum jemand Notiz. Was für ein edler Name war das: „Königslinie“. Zum letzten Mal legte die Fähre nun in Sassnitz ab, um Trelleborg in Schweden anzusteuern. Ein Kreuzer der Seenotretter verabschiedete das Schiff mit einer Fontäne. Auf der Hafenmole  standen ein paar hundert traurige Sassnitzer, das war es dann.

Als die „Königslinie“ eingeweiht wurde, regierte hierzulande noch ein Kaiser, Wilhelm II, König von Preußen, und in Schweden König Gustav V. Beide Monarchen sahen am 6. Juli 1909 zu, als der erste Zug an Bord des Schiffes rollte, was als offizieller Start der Linie gilt. Der erste Postdampfer hatte bereits am 29. April 1897 abgelegt.

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Das Ende der Königslinie Sassnitz Trelleborg

Mit ein wenig Sinn für Symbolik hätte man also 48 Stunden warten können mit der letzten Reise der „Königslinie“, doch wer pflegt schon Sinn für Symbolik, wenn Controller das Sagen haben. Der Güterverkehr wird nun nach Rostock verlagert, die Fähre in einen schwedischen Hafen verlegt. Was mit 120 Beschäftigten geschieht, Crew und Mitarbeiter der Abfertigung, das handeln nun Unternehmen und Betriebsrat aus.

Die Passagierzahlen waren zuletzt gesunken, und die Coronakrise gab der Fährlinie, die kein königliches Ergebnis mehr einfuhr, den Rest. Für Sassnitz ist die Einstellung eine ganz miese Nachricht, und Appelle von Politikern, die Einstellung doch noch zu überdenken, verhallten wie ein Ruf über die nun leere Hafenpier.

Reedereien sind Wirtschaftsunternehmen, sie dürfen keine Rücksicht auf Sentimentalitäten nehmen, doch mir gefällt der Gedanke nicht, dass in Europa Fährverbindungen gestrichen werden. Fähren verbinden Menschen, prägen das Leben in den Hafenstädten und sind nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein kultureller Link. Was mit der „Königlinie“ wirklich fehlt, wird man in Sassnitz und Trelleborg erst in einigen Monaten spüren. Bleibt die Frage, warum sich die Politik nicht früher engagierte, um Verluste auszugleichen, die nun an anderer Stelle entstehen.

Fähren bringen nicht nur Autos und Waren

Ich erinnere mich an die letzte Reise der Fähre von Cuxhaven nach Harwich, die ich als junger Reporter des Berliner „Tagesspiegel“ begleitete. Obwohl das Land Niedersachsen viele Millionen in das Terminal Steubenhöft investiert hatte, stellte die Reederei die Verbindung nach nur 41 Monaten ein. Sie konnte einfach den Stecker ziehen, wie aus einem alten Toaster.

Es war eine traurige Überfahrt über ruppige See. Ich sprach mit einem Lastwagenfahrer, James hieß er, der mit seiner asthmakranken Frau Irene häufig hin und her fuhr, wegen der Nordseeluft. Dass ein Reporter an Bord war, gefiel der Reederei überhaupt nicht. Der Fotograf und ich hatten jederzeit einen Begleiter in Hörweite. Mitten in der Nacht klopfte ein Sicherheitsmann an meine Kabinetür, um mir zu erzählen, wie mies die Crew behandelt worden war und dass man einen Chemieunfall an Bord vertuscht hatte. Die Rezeptionisten wurde gleich nach der Ankunft fristlos gefeuert, weil sie mit mir gesprochen hatte. Ich sehe noch ihr verweintes Gesicht.

Bis heute gibt es keine Fähre, die von Deutschland nach England pendelt. 15 Jahre ist das her.

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch heißt Kapitäne!

Hinweis: Danke an die Seenotretter für das Foto!

 

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