Stefans Geschichten vom Meer: Der Madagaskar-Plan und die AfD
Der Madagaskar-Plan und die AfD. Was in dieser Woche herauskam, über ein geheimes Treffen von AfD-Politikern, bekannten Neonazis und Unternehmern, erschütterte die Republik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von einem Fall für den Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz. Politiker aller demokratischer Parteien zeigen sich entsetzt. Ankerherz-Verlagsleiter Stefan Kruecken findet: Genug ist genug.
Geht es nach diesem „Masterplan Remigration“, den AfD-Politiker, Rechtsextreme und ein paar Unternehmer vor einigen Wochen bei einem Geheimtreffen in einem Hotel am Potsdamer Lehnitzsee diskutiert haben, könnte ich demnächst in Nordafrika leben. In einer Enklave, in der Wüste, in die Millionen Deutsche mit ausländischen Wurzeln abgeschoben werden sollen. Ebenso wie jene, die Geflüchteten geholfen haben.
Also: meine Familie und ich.
Nun könnte man dem Irrsinn, den die Recherche-Plattform „Correctiv“ enthüllte („Geheimplan gegen Deutschland„), mit Zynismus begegnen und sagen: „Herrlich, wenigstens warm und kein Hamburger Schietwetter mehr“. Doch dafür ist die Lage längst zu gefährlich.
Demokratie ist bedroht
Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang mahnte unter der Woche, dass unsere Demokratie stärker bedroht ist, als dies in der Mitte der „gleichgültigen Gesellschaft“ wahrgenommen werde („Das Land muss aufwachen„, Tagesschau). Und wenn sogar der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) die AfD als „schädlich für unser Land“ bezeichnet, dann muss der Mist richtig dampfen.
Ein Treffen in Potsdam, an einem See, zum Thema millionenfache Migration – da war doch schon mal was? Ja, im Januar 1942. Auf einer Konferenz am Berliner Wannsee beriet die Führungsspitze Nazi-Deutschlands über die koordinierte Ermordung von Millionen Juden.
Der Madagaskar-Plan Variante 2023
Bis dahin gab es als eine Art gedankliche Vorstufe den Madagaskar-Plan. Dieser sah die Deportation von Millionen Juden auf die viertgrößte Insel der Welt vor, eine Art Großghetto im Indischen Ozean, bewacht von schnellen Polizeibooten. Das Referat von SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann rechnete aus, wie viele Schiffe man für die Umsetzung benötigte: Nur knapp 120, kalkuliert auf Basis von jeweils 1500 Juden auf täglich zwei Dampfern im Pendeldienst.
Keine Ahnung, ob sich der persönliche Referent von Partei-Chefin Alice Weidel – beim Potsdamer Rechtsextremen-Treff anwesend – schon Gedanken über derlei logistische Details gemacht hat. Ob der AfD-Vorsitzende Chrupalla auch dabei war, wie gestern der SPIEGEL spekulierte oder ob Bernd Höcke unter der Dusche übt, den Sound von Joseph Goebbels noch perfekter zu treffen. Es widert mich alles an.
Druck erzeugt Gegendruck
Der AfD-Bundestagsabgeordnete René Schneider schreibt als Reaktion auf die Enthüllung: „Wir werden Ausländer in die Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“ Sie reden also ganz offen. Sie verstecken sich nicht mal länger.
Ich habe auch ein Versprechen an die Schneiders, an die Höckes, von Storchs und all die anderen mit den feuchten Träumen von Umsturz und Massendeportationen. Ich denke wie viele Millionen Demokraten in Deutschland.
Kampflos wird das nicht über die Bühne gehen.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Muss das Boot abkönnen“.
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