Stefans Geschichten vom Meer: Die Zeit der Stürme

Die Zeit der schweren Stürme. Jeden Samstag schreibt Ankerherz Verlagsleiter Stefan Kruecken eine Geschichte vom Meer, die auch als Kolumne in der Hamburger Morgenpost erscheint. Diesmal geht es um die schweren Stürme, die aktuell über dem Nordatlantik toben.

Anhand einer einfachen Regel kann jeder erkennen, wie stark ein Orkan weht. Je niedriger der Luftdruck fällt, desto härter kommt der Sturm. Nur wenige Orkane erreichen einen extrem niedrigen Wert von 930 Millibar oder weniger, was im Ergebnis der Wucht eines Hurrikans entspricht. Seit 1979 zeichnet man im amerikanischen „Ocean Prediction Center“ diese Daten auf. In 41 Jahren gab es zehn Stürme, die so heftig tobten.

In den vergangenen 14 Tagen kamen zwei weitere hinzu.

Und nun geschieht etwas, das die Meteorologen bislang noch nicht gesehen haben: Zwei Bombenzyklone vereinen sich zu einem gigantischen Sturm.

Winterstürme sind nichts ungewöhnliches, besonders nicht auf dem Nordatlantik, dem klassischen Gebiet für hartes Wetter. Ungewöhnlich aber sind die Taktung und die Intensität, mit der die schweren Stürme über die See Richtung Europa ziehen. Die „Washington Post“ hat dem Wettermuster sogar eine große Geschichte gewidmet.

 

Der erste Bombenzyklon traf Island am Freitagmorgen mit einem Luftdruck von 929 Millibar und Windstärken, die einem Hurrikan der Kategorie 4 entsprechen. Isländer sind sturmerprobt. Die modernen Wikinger bringt so schnell nichts aus der Ruhe, und wenn woanders der Krisenstab tagt, geht ein Isländer segeln. Am Freitag gaben die Behörden die höchste Unwetterwarnstufe Rot aus, zum zweiten Mal überhaupt. Die Premiere gab es erst im Dezember.

Stürme mit Wellenhöhen von 40 Metern

Das „Ocean Prediction Center“ des amerikanischen National Weather Service berichtet, dass ein Satellit am Freitagvormittag eine signifikante, also mittlere Wellenhöhe von 64 Fuß (20 Meter) westlich von Irland maß. Was bedeutet, dass einzelne Wellen in diesem Bereich möglicherweise bis zu 128 Fuß (knapp 40 Meter) hoch waren! Die signifikante Wellenhöhe ist definiert als der Durchschnitt des höchsten Drittels der Wellen in einem bestimmten Zeitraum und verläuft tendenziell etwa halb so hoch wie einzelne Wellen. Die Messung einer Boje nordwestlich von Irland untermauerte diese Satellitenbeobachtung.

 

Das sind Gewalten, die Schiffe jeder Größe in Gefahr bringen. Entsprechend leergefegt war der Nordatlantik am Donnerstag und Freitag – nur ein einziges Schiff fuhr einsam mitten durch den Orkan. Auf der digitalen Karte blinkte ein winziger Punkt in einer Landschaft aus Signal- und Warnfarben. War das Leichtsinn des Kapitäns? Wir haben die Reise des Massengutfrachters Mia LR auf unserer Ankerherz Facebook-Seite verfolgt, mit regelmäßigen Updates, denn die User fieberten mit. Es ging gut aus, der Bulkcarrier kam durch und läuft nun den Hafen von Rotterdam an.

Öltanker zerbrach im Sturm

Der neue Sturm, der sich in den nächsten Stunden auf dem Nordatlantik formt, wird den Nordatlantik in eine „gigantische Wellenmaschine“ verwandeln. Die Stürme verschmelzen nach einem einzigartigen meteorologischen „Tanz“, der sich aus dem sogenannten „Fujiwhara-Effekt“ ergibt, wenn ein Sturm einen anderen umkreist. Am Samstag bildet sich ein riesiger Wirbel südlich von Island, der seine Energie, Wind und starke Regenfälle nach Nordwesteuropa schleudert.

Für Großbritannien haben die Behörden entsprechend hohe Warnstufen ausgegeben. Meteorologen des Ocean Prediction Center prognostizieren einen Luftdruckabfall zwischen 916 und 924 Millibar. Dieser Bereich würde es zu den fünf stärksten Nordatlantikstürmen zählen, die jemals beobachtet wurden.

Der bislang stärkste Nordatlantiksturm war das Sturmsystem Braer im Januar 1993, mit einem Luftdruck von 913 Millibar. Der Sturm wurde nach einem Öltanker benannt, der während der Orkane vor Shetlandauseinanderbrach und eine Ölpest verursachte.

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Vor kurzem erschien sein neues Buch „Kapitäne!“ Das Buch gibt es überall im Handel und im Online Buchladen von Ankerherz.

 

0 comments