Stefans Geschichten vom Meer: ein wahres Märchen vom Meer

Ein wahres Märchen vom Meer. In dieser Folge von Stefans Geschichten vom Meer geht es um eine Rettung, die unwahrscheinlich erscheint. Aber kurz vor Weihnachten hat sie sich in der Ägäis zugetragen.

Ich schreibe diese Geschichte des Meeres mit einem beklemmenden Gefühl. Mein ältester Sohn, er ist 19, fragte mich beim Frühstück, wie wahrscheinlich ein Krieg in Europa ist? Was Russlands möglicher Angriff auf die Ukraine auslöst, und was wohl geschieht, sollte der NATO-Verteidigungsfall ausgerufen werden?

„Papa, hast du überlegt, ob du dich im Ernstfall bei der Bundeswehr einschreibst?“

Ich versuchte, ihm seine Sorgen zu nehmen. Dass die Aussicht auf einen Krieg in Europa wegen eines aggressiven russischen Diktators ein Thema ist im zweiten Corona-Jahr 2022: schlimm genug. Was sind das für Zeiten. Besonders für junge Menschen, die unter der Pandemie besonders gelitten haben.

Ein wahres Märchen vom Meer

Vielleicht brauchen wir positive Nachrichten, ein bisschen Trost. Wie dieses kleine Weihnachtswunder, das erst jetzt bekannt wurde. Ein Schiffbrüchiger ist in der Ägäis nach vielen Stunden vom Kapitän eines großen Tankers gerettet worden. Die Geschichte klingt ziemlich unglaublich, doch sie ist wahr.

 

Der Spezialtanker „Maersk Peary“ befand sich am 22. Dezember auf dem Weg zum Suezkanal, als sich die griechische Küstenwache über Funk meldete. Das Schiff ist ein knapp 180 Meter langer Spezialbau, der die McMurdo Forschungsstation in der Antarktis mit Diesel versorgt.

Der Kapitän erkennt etwas im Wasser

Tags zuvor war ein Schiff im Seegebiet nördlich von Kreta gekentert. Die Behörde wies den Kapitän des Tankers an, bei der Suche nach vermissten Seeleuten zu helfen. Um 20:48 Uhr Ortszeit lief die „Maersk Peary“ in die Suchzone ein. Der Kapitän gab Order, Scheinwerfer einzuschalten und postierte zusätzliche Matrosen als Ausguck. Um 21:57 Uhr, nach etwa einer Stunde langsamer Fahrt, bemerkte er etwas im Wasser.

Als das Schiff näherkam, erkannte der Kapitän eine Person, die sich an einem weißen Gegenstand festklammerte. Einem Bootsfender, wie sich später herausstellte. Maersk Peary stoppte die Maschine. Man setzte eine Rettungsboje aus. Orangefarbene Pyrotechnik erhellt die Nacht über der See. Nun begann der wirklich schwierige Teil, den Schiffbrüchigen mit einem solch großen Schiff zu retten.

Der Tanker wird zum Rettungsboot

Vorsichtig fuhr der Kapitän an den Seemann heran. Er gab Order, ein Rettungsboot auszusetzen und informierte die Küstenwache. Es musste schnell gehen: den stundenlang im Wasser treibenden Mann verließen anscheinend die Kräfte. Sechs Minuten, nachdem das Rettungsboot im Wasser war – um exakt 22:18 Uhr – erreicht die Crew den Überlebenden und zog ihn an Bord. Sie wickelten den Schiffbrüchigen in wärmende Decken. Wenig später traf ein Schiff der griechischen Küstenwache ein und nahm den Mann in Empfang.

Gerettet!

Während die Geschichte erscheint, ist der Tanker längst weiter gefahren. Die letzte AIS-Position, die ich sehe, zeigt ihn an der Westküste von Australien.

 

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.

 

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