Stefans Geschichten vom Meer: Für den Rettungsschwimmer von Sylt

Eine Hommage an den Rettungsschwimmer von Sylt. In Stefans Geschichte vom Meer geht es in dieser Woche um den mutigen Retter, der sein Leben für eine Frau in Not gab. Und die Frage, wieso es noch immer solche Tragödien in der Nordsee geben kann.

Ich möchte meine heutige „Geschichte vom Meer“ einem mutigen Rettungsschwimmer widmen, der vor wenigen Stunden auf der Insel Sylt sein Leben gab, um einer Frau in Not zu helfen. Er wurde nur 47 Jahre alt.

Noch sind nicht alle Details über die Umstände des Dramas bekannt. Die Polizei ermittelt. Kurz nach 14 Uhr geriet eine Urlauberin am Strand von Wenningstedt in Not. Zwei Rettungsschwimmer und vier Badegäste eilten zu Hilfe, brachten sie an Land und leisteten Erste Hilfe.

Der Rettungsschwimmer ist ein Held

Einer ihrer Retter schaffte es nicht zurück an den Strand. Er trieb bewusstlos im Wasser. Zwei DRK-Retter und ein Polizist schwammen zu ihm, doch konnten ihn nur noch tot bergen. Die Touristin, 63 Jahre alt, starb gestern Morgen im Flensburger Krankenhaus, in das man sie mit einem Hubschrauber geflogen hatte.

Für die Familie und Freunde des Rettungsschwimmers gibt es keinen Trost in diesen Tagen. Mit Abstand kann die tiefe Trauer vielleicht nur der Gedanke mildern, dass ihr Angehöriger und Freund als Held verstarb. Die Insel und der ganze Norden stehen unter Schock. Gestern wehten die Fahnen auf Sylt auf Halbmast. Die Rettungsschwimmer gedachten ihrem Kameraden mit diesem emotionalen Post.

Nach Angaben der DLRG sind dieses Jahr in Schleswig-Holstein bereits elf Badende ums Leben gekommen. Nur wenige hundert Meter entfernt ertrank am Tag zuvor ein anderer Urlauber in den Wellen. Ich frage mich: Wie kann es noch immer zu einer Häufung solcher Tragödien kommen?

Viele Menschen fühlen sich in der Corona-Zeit zur Natur hingezogen. Vor allem das Meer bietet für viele einen Notausgang, um die Sorgen des Alltags zu vergessen. Doch es scheint auch so zu sein, dass es eine Entfremdung von möglichen Gefahren der See gibt: „Nur mal kurz rein, wird schon gut gehen“, „der Wind ist doch halb so wild“, „ich kann gut schwimmen“ – dies können tödliche Gedanken werden.

Tagelang herrschte stürmischer Wind an der Nordsee. Über vielen Stränden wehte die rote Fahne, die ein generelles Badeverbot signalisiert. (Was die Farben der Fahnen bedeuten, lest Ihr hier). Kein Insulaner käme auf die Idee, bei solcher Brandung in die See gehen. Doch manche Gäste aus dem Binnenland scheinen die Risiken noch immer nicht zu kennen – oder die Warntafeln, die auf Unterströmungen hinweisen, nicht sehen zu wollen.

Mehr Aufklärung im Norden nötig

Noch mehr Aufklärung scheint nötig zu sein, überall an der Küste. Vielleicht sollte man versuchen, diesen tragischen Fall auf eine pietätvolle Weise als Negativbeispiel immer wieder in Erinnerung zu rufen. Botschaft: Wer Warnungen ignoriert, der bringt eben nicht nur das eigene Leben in Gefahr. Sondern auch das seiner Retter.

Die Erinnerung an das Schicksal des Rettungsschwimmers von Sylt ist wichtig. Damit sein Tod einen Sinn ergibt. Mein tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie und allen Freunden.

 

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. 

 

 

 

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