Stefans Geschichten vom Meer: Gefangen auf dem Kreuzfahrtschiff

Gefangen auf dem Kreuzfahrtschiff. Jede Woche schreibt Ankerherz-Verlagsleiter Stefan Kruecken eine Geschichte vom Meer, die auch als Kolumne in der Hamburger Morgenpost erscheint. Diesmal geht es um das Corona-Virus, Gefangene auf einem Kreuzfahrtschiff und um Helden auf Hiddensee.

Eines der bekanntesten Seemannslieder spielt auf einem Segelschiff, jeder im Norden kennt es: „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord.“ In der Version zu Beginn des Jahres 2020 geht das Lied so: „Wir lagen vor Yokohama und hatten Corona an Bord.“

Auf dem Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“, das vor Japan ankert, ist die Zahl der Infektionen mit der Lungenkrankheit auf 41 gestiegen. Damit sind bereits 61 der 2666 Passagiere mit dem unheimlichen Virus infiziert, mehr als 120 weitere Menschen zeigen Symptome wie Husten und Fieber. Frühestens in zwei Wochen soll die Quarantäne aufgehoben werden, was bedeutet, dass solange niemand das Schiff verlassen darf. Auch in Hongkong liegt ein großes Kreuzfahrtschiff mit drei Corona-Kranken fest; auf der „World Dream“ sind 1800 Passagiere und 1800 Crewmitglieder vorübergehend eingesperrt.

Gefangen auf dem Kreuzfahrtschiff

Ich bin gar kein Freund von großen Kreuzfahrtschiffen, denn mir erschließt sich nicht der Sinn, mit tausenden anderen über das Meer zu schippern. Mir ist das zu voll und zu laut, von ökologischen Aspekten ganz abgesehen. Ich mag die See am liebsten, wenn es einsam ist. Auf einer schwimmenden Plattenbausiedlung eingesperrt zu sein, im Wissen, dass sich an Bord ein womöglich tödliches Virus weiter ausbreitet, das klingt für mich nicht wie ein „World Dream“, sondern wie mein persönlicher Alptraum.

Zu den Geschichten vom Meer, die es niemals in die Schlagzeilen schaffen, die aber trotzdem wichtig sind, gehört eine Episode von der Insel Hiddensee. Nach mehr als 50 Jahren ist der Seenotretter Erich Albrecht, 75, in den Ruhestand gegangen. Mehr als 30 Jahre war er Vormann, also Chef der Station Vitte, die immer reichlich zu tun hat. Sein Nachfolger heißt Carsten Berlin, 52, Hotelmanager und Familienvater.

Die Helden von Hiddensee

Ich finde es großartig, dass es Menschen gibt, die für andere in den Sturm hinaus fahren. Männer und Frauen, die rund um die Uhr bereit stehen, anderen aus Seenot zu helfen. Gibt es einen größeren Beweis für Menschlichkeit? Was für eine Leistung ist es, wie Erich Albrecht ein halbes Jahrhundert im Einsatz zu sein. Und seine Freizeit zu „opfern“ wie ein Hotelmanager, der in den hektischen Sommermonaten auf der Insel garantiert viele andere Dinge zu regeln hat.

Ein neuer Vormann auf Hiddensee: Nach mehr als 50 Jahren übergibt Erich Albrecht (75) das Ehrenamt an Carsten Berlin (52). Foto: DGzRS

 

Viele der knapp hundert Einsätze, die es für die Crew der Station Vitte jährlich gibt, sind Routine. Boote mit Motorproblemen, Fischer mit Netzen in der Schraube. Doch manchmal geht es eben auch um Leben und Tod. „Vor einigen Jahren haben wir eine Segelyacht bei Windstärke 8 reingeholt, die Besatzung war völlig fertig. Als die Segler wieder festen Boden unter ihren Füßen hatten, sind sie uns um den Hals gefallen – so erleichtert waren sie“, erzählt Albrecht.

Es ist einfach beruhigend zu wissen, dass es Männer wie ihn an der Küste gibt.

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Vor kurzem erschien sein neues Buch „Kapitäne!“

 

 

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