Stefans Geschichten vom Meer: Hamburger Reeder und das Beaching

Beaching – das klingt harmlos, oder? Nach Strand, nach Urlaub, nach Gammeln mit Kaltgetränk. Doch Beaching meint eine Praxis, alte Schiffe in Bangladesch auf einen Strand zu fahren und von Tagelöhnern und Kinderarbeitern zerlegen zu lassen. Skrupel? Nicht bei einigen Hamburger Reedern, wie die Nachrichten dieser Woche belegen. Stefans neue Geschichte vom Meer.

Ich weiß, es ist kein besonders reizvoller Gedanke, aber stellen Sie sich bitte mal vor, Sie wären ein Hamburger Reeder.

Sie wohnen in einer wirklich repräsentativen Villa nahe der Elbe. Ihre Familie macht seit Generationen Geschäfte mit Schiffen. Sie war dabei nie besonders zimperlich um Umgang mit Seeleuten, genauer gesagt verfeinerten einige Vorfahren die Ausbeutung zur Kunstform. Aber so ist das Leben nun mal: Die einen hocken in den Elbvororten und die anderen suchen nach kostenlosem WLan im Seemannsheim. Seit diese modernen Sklavenarbeiter aus Inselstaaten am Ende der Welt kommen, interessiert das ohnehin niemanden mehr.

Ihre Lobby als Reeder ist so gut, dass sie viele Steuervorteile genießen, obwohl die allermeisten Schiffe längst ausgeflaggt sind. Wenn es eng wird und mal einer dumm nachfragt, zu sozialen Themen, zu Schweröl, dann weisen Sie auf die Bedeutung der Branche für die Exportnation Deutschland hin.

Hamburger Reeder sein – ein Gedankenspiel

Sie haben noch zwei weitere Häuser und ein paar Anlageimmobilien, von denen ihr Steuerberater meinte, dass Sie damit garantiert nix falsch machen. Ihr Boot liegt in der Marina und das Leben ist insgesamt flauschig entspannt.

Es ist nur ein wenig langweilig.

Deshalb investieren Sie jetzt auch ein bisschen in grüne Projekte, nachhaltig, fair, das Globale im Blick, das ist wichtig heutzutage. Macht sich gut auf Empfängen und Partys in der Nachbarschaft. Besonders die Damen schauen ganz beeindruckt.

Beaching spart Kosten. Wen interessiert Moral?

Dann aber stehen Sie vor einem Problem. Ein paar alte Schiffe müssen weg. Die Entsorgung nach EU-Vorschriften ist teuer, nun ja, eigentlich nicht, denn man könnte sich darauf einstellen, aber jede Million will hart erspart sein.

Nun gibt es diese Lösung in Bangladesh, „Beaching“ genannt. Die Schiffe werden auf einen Strand gefahren und von Tagelöhnern, darunter vielen Kindern, auseinandergenommen. Viele verletzen sich dabei, manche sterben sogar. Öl, Betriebsmittel, allerhand giftiges Zeug fließt direkt ins Meer. Eine ziemliche Sauerei. Sie wissen das alles, aber andererseits bekommen Sie sogar noch Geld für den Schrottwert des alten Kahns. Mal ehrlich: Wenn man die Wahl hat zwischen Zweitboot und einem bisschen Umweltschmutz? Wie würden Sie sich entscheiden?

Ihr Steuerberater, der raffinierte Fuchs, hat ein System entwickelt, mit dem Sie sich immer rausreden können. Sie wussten einfach von nix. Wer soll dieses Firmengeflecht verstehen? Und wenn doch mal ein Ermittler durchblickt, dann sorgt ihr Anwalt schon dafür, dass nix hängen bleibt.

Möchten Sie sich vorstellen, ein solcher Hamburger Reeder zu sein?

Ich auch nicht.

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Kleines Buch vom Meer: Inseln“.

 

 

 

 

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