Stefans Geschichten vom Meer: Kapitän Nielsen und die Alptraumreise
In dieser Folge von Stefans Geschichten vom Meer geht es um die Alptraumreise eines Kapitäns. Erzählt hat sie Hans-Christian „Krischan“ Nielsen.
Das Meer lässt den alten Kapitän auch im Ruhestand nicht los. Als Passagier unserer Skua-Tour reiste Hans-Christian „Krischan“ Nielsen, 70, aus Hollenstedt mit nach Island. Vier Jahrzehnte fuhr der Kapitän zur See und verlor dabei nie den Sinn für Selbstironie. Statt Hemd und Sakko trug er auf der Fähre oft einen Kapuzenpullover. Motiv: Hein Blöd.
Die Alptraumreise eines Kapitäns
Was er mir bei einem Becher Kaffee erzählte, gaben wir erst am letzten Abend an die anderen Reisenden weiter. Um niemanden zu beunruhigen. Nielsens Geschichte spielt im Winter 2004, auf einem Schiff, das einige tausend Containern von London nach New York City transportierte. Im englischen Kanal geriet die „Santa Romana“ in schlechtes Wetter. Das Kommando hatte ein junger Kapitän auf seiner ersten Reise. Nielsen arbeitete als Erster Offizier.
Auf dem Atlantik steigerte sich der Sturm zum Orkan. Der Frachter kämpfte sich durch riesige, kurz getaktete Wellen. In einem Moment legte er sich mehr als 45 Grad auf die Seite. Die Maschine fiel aus!
Maschinenausfall im Sturm
„Eine große Welle kamen wir noch hoch, doch keine zweite. Mir war klar: Wenn jetzt nicht schnell etwas passiert, ist Ende“, erinnert sich Nielsen. Sollte der Frachter nämlich quer zur See kommen, würde er vom nächsten Brecher zum Kentern gebracht und war dem Untergang geweiht.
Spürte er Angst? „Nein, ich funktionierte nur. Die Angst kam hinterher“.
Es gelang den Männern im Maschinenraum, den Motor wieder zu starten. Im letzten Augenblick. Eine Welle zerschmetterte noch einen Lüfter auf dem Bug, doch Frachter und Crew überlebten diesen Sturm auf dem Atlantik. Die Alptraumreise ging weiter.
Ruderausfall im Panamakanal
Im Panamakanal wunderte sich Nielsen, als er in seiner Freiwache auf die Brücke gerufen wurde. Und waren die Palmen am Ufer nicht seltsam nahe? Ausfall der Ruderanlage! Das 220 Meter lange Schiff lief auf einer Sandbank auf. Doch auch hier: Glück im Unglück. Aus eigener Kraft kam der Frachter frei und wurde von Schleppern auf der Weiterreise begleitet.
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Doch auch jetzt kehrte keine Ruhe ein. Tage später traf ein Telex an Bord ein, bestimmt für den jungen Kapitän. Nicht die Reederei, die zum Rapport bat, sondern eine wichtige Nachricht seiner Ehefrau daheim. Sie teilte mit, dass sie die Scheidung eingereicht hatte. „Die Biervorräte gingen danach rasch zu Neige“, sagt der Seemann.
Eheausfall per Telex
Kapitän Nielsen zieht es noch immer aufs Meer. Seinen alten Beruf hingegen vermisst er nicht. Aus Kapitänen früherer Tage seien „bessere Transportbegleiter zu See“ geworden, die in Papierkram untergehen und von ihren Reedereien gegängelt werden, schimpft er. Nicht mal Schiffe gucken im Hamburger Hafen ist für ihn noch drin.
„Ende, Aus. Banane“, sagt Nielsen.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.
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