Stefans Geschichten vom Meer: Karma-Mönche auf Sylt

Ein neues Luxus-Resort auf Sylt lässt vor der Eröffnung Mönche zum Ausräuchern schlechter Energie einfliegen. Aus Nepal. Das muss diese Nachhaltigkeit sein, von der immer alle reden. Eine neue Folge von Stefans Geschichten im Meer. Viel Spaß!

Auf Sylt eröffnet in diesen Tagen ein neues Luxus-Resort, ein Mix aus Kurklinik, Hotel und Schalala. Jedes der 68 Zimmer im „wohl teuersten Hotel der Welt“ hat mehr als zwei Millionen € gekostet. Zu den Mit-Investoren gehört der TV-Moderator Johannes B. Kerner.

Die Gäste, die im Norden der Insel erwartet werden, sind extrem wichtig und müssen sehr wohlhabend sein. Für einen „nachhaltigen Regenerationserfolg“ empfiehlt das Resort einen Mindestaufenthalt von zwei Wochen. Das Basispaket für diese zwei Wochen kostet schlappe 13.600 €. Kinder sind im Konzept nicht vorgesehen und drei Wochen ohnehin besser.

Die Karma-Mönche von Sylt

Nun lese ich, dass das Hotel zur Eröffnung Mönche einfliegen lässt. Aus Nepal. Sie sollen die Räume fachgerecht ausräuchern und von „schlechten Energien“ befreien. Zum Ausräuchern von Nepal nach List – das muss diese Nachhaltigkeit sein, von der alle so gerne reden. Was mag eigentlich einmal Durchlüften kosten? Wahrscheinlich 228,75 €, inklusive Aerosolaufschlag.

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Die Experten in Sachen miesem Karma könnten ein paar zusätzliche Klangschalen und extra Räucherstäbchen ins Gepäck stecken und gleich in der Nachbarschaft weitermachen. Die Stimmung im Dorf ist nicht so positiv, seit sogar eine Düne abgetragen wurde. Wer sich mit dem Auto näher, der denkt, dass ein brachiales Ufo aus Reet mitten in List notgelandet ist. Das Baumaterial wurde eigens aus Kasachstan eingeflogen, aber das nur am Rande.

Ein Mittelfinger aus Reet

Jeder, der beispielsweise mal ein Straßencafé eröffnen wollte und mit einer Monsterwelle aus Behördenvorschriften getroffen wurde, staunt. Wie war es wohl möglich, diesen Resort gewordenen Mittelfinger auf dem Gelände eines ehemaligen Offiziersheims zu errichten? Trotz Dünen-, Küsten,- Vogel-, Denkmal- und Naturschutz. Vermutlich schützen Baukosten von 130 Millionen € vor zuviel Schutz.

Was der Neubau für das Image von Sylt bedeutet, ist leicht zu erraten. Es ist der ultimative Beleg, dass doch alle Klischees über die Insel der Porschefahrer stimmen. Die Zeiten von Pidder Lüng, dem renitenten Sylter Fischer, der sich in der Ballade von Detlev von Liliencron gegen die Obrigkeit wehrt und den dänischen Amtmann in einem Grünkohltopf ertränkt, sind lange vorbei.

Ich mag Sylt. Trotzdem

Ich mag Sylt dennoch, besonders den wilden Norden der Insel. Weite Dünen und Strände, der Leuchtturm, ein Fischbrötchen im kleinen Hafen. So sieht mein Reha-Programm aus. Was ganz ohne Räucherstäbchen aus Nepal oder Reet aus Kasachstan oder einarmige Schamanen aus Burkina Faso, die im Mondlicht beim Schiss der Möwe besondere Öle anrühren, auskommt.

Die Nordsee bleibt umsonst. Obwohl, man weiß ja nie.

Übirgens: Von den 13.600 Basis-Preis für zwei Wochen kann man 1511 der neuen 9-€-Tickets ziehen.

 

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.

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