Stefans Geschichten vom Meer: Schiff ohne Kapitän
Jeden Samstag schreibt Stefan von Ankerherz eine „Geschichte vom Meer“ in der Hamburger Morgenpost. Natürlich erscheint die Kolumne auch hier im Ankerherz Blog. Diesmal geht es um ein Schiff, das die Seefahrt für immer verändern könnte.
Vielleicht war die Zukunft gestern auf See unterwegs, und wir wissen es heute nur nicht. Irgendwo vor der Südostküste Englands tuckerte sie über die Wellen, auf einer Testfahrt, um Daten zu sammeln. 12 Meter lang, mit gelben und weißen Streifen am Rumpf. Ein ziemlich hässlicher Block mit einem Radarturm obendrauf. Bullaugen gibt es nicht, auch keine Gangway oder irgendetwas, das auf einen Seemann hinweist.
Denn Menschen sind an Bord überflüssig.
„Maxliner“ heißt dieses Schiff, das vollautomatisch über das Meer fährt. Roboter Ahoi!
„SUV“, die kennt man vor allem von den Parkplätzen in Pöseldorf oder Blankenese. „USV“, das ist die Abkürzung für ein Schiff wie den Maxliner: „Unmanned Surface Vessel“, übersetzt: unbemanntes Oberflächenfahrzeug. Diese Vehikel sollen Seeleute ersetzen, wenn es nach den Ingenieuren und Technikern der Firma SEA-KIT geht.
Ein USV braucht keinen Schlaf, keinen Proviant, und, was für die Reeder vor allem interessant ist: keinen Cent Heuer. Mit einer Geschwindigkeit von acht Knoten kann es pausenlos durch das Meer pflügen, bis zu neun Monate am Stück. Gesteuert wird es durch ein GPS-Signal. In einem Hafen mit viel Verkehr übernimmt dann wieder ein Mensch mit einer Fernsteuerung.
Ein Schiff ohne Kapitän
Frachtschiffe ohne Crew, Tanker ohne eine Seele an Bord, robotische Arbeitsboote. Klingt nach Science-Fiction? Welcher Seemann auf einem Segelschiff des Jahres 1919 hätte sich vorstellen können, dass die Schiffe des Jahres 2019 vierhundert Meter lang sind und 24.000 Kisten aus Stahl transportieren?
Wann es soweit ist, dass Schiffe ohne Kapitäne über die Meere fahren, vermag niemand zu sagen. Vielleicht dauert es noch Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte. Vielleicht geht es aber auch schneller, als wir alle denken. Die „Maxliner“ brachte im Mai Bier und Austern von Belgien nach England. In Norwegen experimentiert man seit einiger Zeit mit autonomen Fähren.
Das Roboterschiff
Die Treibstoffersparnis soll enorm sein; man spricht davon, dass autonom fahrende Schiff mit einem Bruchteil des Sprits auskommen. Es gibt andere Situationen, in denen sie von Nutzen sind. Im Falle einer Ölpest oder eines Feuers sind Roboterschiffe zum Beispiel sind sie besser geeignet, weil niemand giftige Gase einatmet.
Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft werden unsere Autos alleine fahren. Dann werden die Busse ohne Fahrer um die Ecke biegen und Flugzeuge ohne einen Piloten im Cockpit abheben. Warum sollte die Seefahrt eine Ausnahme machen? Konzerne wie Rolls-Royce oder Shell investieren viel Geld in neue Technologien.
Die englischen Macher des Maxliners planen, dass ihr Schiff Mitte nächsten Jahres eine Reise über den Atlantik unternimmt. Als erstes Robotorschiff, eine Pionierfahrt. Sollte die Passage gelingen, wird sich die Seefahrt, wie wir sie kennen, für immer verändern.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland.
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